„Wie kann man nur so herzlos sein?“ – Tonke und Bleibtreu exklusiv über die Kunst des schnellen Worts in „Alles Fifty Fifty“

VonFlorian Stickel

26. August 2024
LEONINE Distribution GmbH

Der Regisseur von „ALLES FIFTY FIFTY“, Alireza Golafshan, hat schon während der Dreharbeiten von der großartigen Chemie seiner Hauptdarsteller geschwärmt: „Bei Moritz Bleibtreu und Laura Tonke hat einfach alles gepasst.“ Auf der Leinwand kann man das sehr gut bewundern – ihr Zusammenspiel als Ex-Ehepaar Marion und Andi ist das Herzstück dieses Films. Beim Interviewtermin in München zeigt sich, wie sehr Golafshan recht hat.

Am Abend vorher war die große Premiere beim Münchner Filmfest und die muss gut gelaufen sein, denn Tonke und Bleibtreu strahlen richtig Freude aus bei diesem Gespräch. Die beiden verstehen sich ausgezeichnet: Sie albern herum und werfen sich ironische Bemerkungen zu, ohne die Miene zu verziehen. So etwas traut man sich nur, wenn man sich gut kennt und ganz sicher miteinander fühlt. Gleichzeitig beantworten sie völlig seriös Fragen zur Arbeit an „ALLES FIFTY FIFTY“. Es wird eine sehr lebhafte, lustige und ehrliche Unterhaltung über einen ebenso amüsanten wie emotionalen Film.

NEWS IN FIVE: Sie spielen die beiden Hauptfiguren Marion und Andi in „ALLES FIFTY FIFTY“. Ganz ehrlich, die zwei sind ein bisschen schwierig, richtige Snobs. Wie haben Sie es geschafft, dass die Zuschauer diese Figuren trotzdem mögen?

Moritz Bleibtreu: Das ist eine gute Frage. Also Laura, wie hast du das gemacht?

Laura Tonke: Tja, ich glaube, das fängt damit an, dass ich die Figur selbst mögen oder zumindest verstehen muss. In dem Moment, wo man sie versteht, kann man sie auch mögen. Alireza (Golafshan – Regisseur und Autor, Anm. d. Red.) hat ein wirklich tolles Drehbuch geschrieben, das in sich stimmig ist, und ich glaube, da liegt immer der Schlüssel. Wenn ich etwas nicht nachvollziehen kann, mag ich die Figur nicht. Ich muss es für mich nachvollziehen und probiere dann, das so zu spielen, dass ich denke: „Okay, die Arme.“

Moritz Bleibtreu:  Genau, es muss immer einen gemeinsamen Nenner geben, manchmal ist er klein, manchmal größer. Das heißt, es gibt mehr Schnittmengen mit der eigenen Persönlichkeit und Art und Weise, wie man die Dinge wahrnimmt.

Laura Tonke: Wie war das jetzt bei dir?

Moritz Bleibtreu:  Bei mir war die Schnittmenge eher größer. Ich habe schon Figuren gespielt, wo die Schnittmenge viel kleiner ist. Man muss erst verstehen, warum eine Figur so agiert, wie sie agiert. Am Ende mochte ich die Figur super gerne. Wenn man eine Erklärung findet und sagt, vielleicht hat die Figur einen Grund, dann wird es sympathisch.

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Filmfest macht gute Laune / LEONINE Distribution GmbH

NEWS IN FIVE: Was mir sofort aufgefallen ist: In „ALLES FIFTY FIFTY“ wird sehr viel geredet. Die Dialoge sind super geschliffen, schnell, trocken und pointiert. Wie herausfordernd sind solche Szenen, besonders bei so viel Text?

Laura Tonke: Sehr herausfordernd. Wir konnten gar nicht fassen, wie oft wir in den Proben für eine Szene vom Regisseur gehört haben: „Gut! Aber nochmal, doppelt so schnell.“ Das kam immer wieder.

Moritz Bleibtreu:  Gerne auch mit Zeitansage: minus 10 Sekunden.

Laura Tonke: Einmal hat er gesagt: „Zwei Minuten weniger, sorry.“ Besonders bei der langen Szene am Tisch. Aber es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich habe da sehr viel Respekt vor. Du hast ein wahnsinniges Talent für Timing, krass.

Moritz Bleibtreu:  Timing krass! (beide lachen)

Laura Tonke: Text auswendig lernen, kann er auch super.

Moritz Bleibtreu: Text auswendig krass! Danke! Aber es ist wirklich so, das ist die Champions League der Schauspielerei. Bei Drama hast du den großen Vorteil, wenn was räsoniert, da kannst du machen, was du willst – solange dich das greift, bist du drin. Und bei Comedy ist das nicht so. Wenn ein Witz nicht sitzt, dann sitzt der nicht. Es muss aber genau sitzen, sonst ist es nicht lustig. Und dann muss man manchmal halt nochmal und nochmal und nochmal ran. Zum Beispiel die lange Szene am Tisch haben wir ewig geprobt.

Laura Tonke: Ja, die ganze Nacht. Ich muss gestehen, es gab eine Szene, da bin ich richtig drüber gestolpert. Ich erzähle das jetzt einfach. Die mussten wir komplett neu synchronisieren, weil ich es nicht „on point“ hatte, die Szene mit der Schule am Anfang.

Moritz Bleibtreu:  Interpunktion ist absolut wichtig. Helmut Dietl, Billy Wilder, es gibt ganze Genres, die hängen nur davon ab, das ist minutiös. Gerade weil die Leichtigkeit da überwiegt, denkt man, das haben die da gerade so süß gemacht, aber das stimmt nicht.

Laura Tonke: Ja, aber es hat super viel Spaß gemacht. Man lacht sich ja auch tot.

Moritz Bleibtreu: Auch beim Machen, ja. Wenn man dann noch David Kross (er spielt den Fitnesstrainer und neuen Freund Robin, Anm. d. R.)  da hat…

Beide: …dann wird’s schlimm. (beide kichern)

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„Dann wird’s schlimm!“ / LEONINE Distribution GmbH

NEWS IN FIVE: Gibt es einen Moment im Film oder bei den Dreharbeiten, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Moritz Bleibtreu:  Für mich ist der ganze Film so ein Ding. Selten habe ich erlebt, dass sich das, was man versucht zu erzählen, auch in die Arbeit überträgt und letztendlich im Film wiederfindet. Die Warmherzigkeit, mit der Ali (Golafshan –  Anm. d. Red.) das gemacht hat, die Art, wie wir den Film gemacht haben, die schönen sechs Wochen am Strand, das war insgesamt einer der schönsten Filme, die ich jemals gemacht habe. Und das Tolle ist zu sehen, dass sich dieses Gefühl auch im fertigen Film überträgt. Ich habe nach dem Drehen gesagt, wenn der Film nur halb so gut wird wie die Zeit, die wir hatten, haben wir einen tollen Film gemacht.

Laura Tonke: Mir fällt noch eine andere Situation ein, die ich wahnsinnig niedlich fand und die irgendwie auch so für Italien spricht. Wir haben am Strand die Szene gedreht, in der David Kross mir einen Heiratsantrag macht. Die umstehenden Leute konnten nicht unbedingt erkennen, dass wir drehen. Sie sahen nur, wie er mir immer wieder den Antrag macht und ich ihn ablehne. Immer wieder. Es bildete sich eine Gruppe von Menschen, die immer größer wurde. Als wir fertig gedreht hatten, bin ich durch die Leute durch, und sie haben gedacht, das war echt … Sie waren sehr traurig, und haben gesagt …

Moritz Bleibtreu:  (stimmt auf Italienisch ein) „Ha chiesto cinque volte?! – Er hat dich doch fünfmal gefragt?!“

Laura Tonke: „Wie kann man so herzlos sein? So eine schöne Frau, so ein süßer Junge.“ Das fand ich so richtig nett. Das war schön.


„ALLES FIFTY FIFTY“ startet am 29. August 2024 in den deutschen Kinos.
Zum Trailer bei YouTube.

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