Wachsendes Interesse an Gewaltschutzeinrichtungen für Männer

VonC. Peters

3. November 2023

Dresden/Düsseldorf (KNA)“Männer haben Muskeln, Männer sind furchtbar stark“ – die Textzeilen von Herbert Grönemeyers „Männer“ werden heute noch gerne als Hymne an die Männlichkeit bemüht. Dabei steckt in dem Lied von 1984 eigentlich eine ganz andere Botschaft; eine, die von einer gewissen Verzweiflung erzählt. „Außen hart und innen ganz weich“, doch eben nicht in der Lage, über Probleme zu sprechen.

Auf drastische Weise deutlich wird das etwa, wenn Männer von Gewalt betroffen sind. Opfer zu sein – das verstößt gegen das gewohnte Rollenbild des „starken Mannes“, erklärt Enrico Damme. Als Referent bei der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) in Dresden weiß er um die gesellschaftlichen Hürden für Hilfsangebote in diesem Bereich.

Männergewaltschutz aus Tabuzone holen

Dabei sei auch hier vor allem der Anfang schwer, das „Sich-Aufmachen“, um einen Zugang zur Beratung zu finden. „Wenn sie emotionale Probleme haben, versuchen Männer schon immer eher allein, diese zu lösen“, so Damme. „Viele Männer haben Angst, dass ihnen als Betroffenen nicht geglaubt wird.“ Schuld daran sind aus Sicht des Fachmanns auch klischeebelastete Mediendarstellungen vom willensstarken und körperlich überlegenen Mann. „Männer mit Lebensstilen, die dazu quer liegen, werden häufig femininer gezeigt, obwohl sie im Grunde die schweigende Mehrheit der Gesellschaft ausmachen.“

Damme fordert ein Umdenken, um das Thema Männergewaltschutz aus der Tabuzone zu holen. Tatsächlich scheint sich ein langsamer Wandel zumindest auf Seiten der betroffenen Männer zu vollziehen. So ist das Interesse an Schutzwohnungen für männliche Gewaltopfer, also das Gegenstück zum Frauenhaus, laut der BFKM im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Laut dem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht für 2022 haben im vergangenen Jahr 99 Männer zeitweise in einer Männerschutzeinrichtung (MSE) gelebt. Das seien 19 Männer mehr als im Vorjahr. Die meisten Männer bleiben dabei nur drei Monate in einer solchen Einrichtung; eine kleine Minderheit (8 Prozent) bleibe bis zu einem Jahr.

Art von Gewalt

Auffällig ist zudem ein Blick auf die Altersstruktur: Von den 99 Männern, die zeitweise in eine MSE eingezogen sind, waren die meisten (25 Personen) zwischen 30 und 39 Jahre alt, 21 Bewohner zwischen 20 und 29 Jahren sowie 11 Bewohner 18 oder 19 Jahre. Über 60 Jahre waren 8 Männer.

Unterschiede auch bei der Art von Gewalt: Fast alle MSE-Bewohner (97 Prozent) berichteten demnach, psychische Gewalt erlitten zu haben, rund 72 Prozent gaben zusätzlich auch körperliche Gewalt an. Etwa 7 Prozent berichteten demnach, Opfer sexualisierter Gewalt geworden zu sein. In knapp der Hälfte der Fälle (45,2 Prozent) sei die Gewalt von der Partnerin oder dem Partner ausgegangen, in 20 Prozent der Fälle von einem oder beiden Elternteilen. Rund 6 Prozent berichteten von Gewalt durch Geschwister; zwei Männer erfuhren demnach Gewalt durch eigene, erwachsene Kinder.

Gravierendes Defizit

Auch gesunken im Vorjahresvergleich sei die Anzahl der Männer, die aus Platzmangel abgewiesen werden: um fast 20 Prozent auf 61 Personen – bei einem gleichzeitigen Anstieg der verfügbaren Plätze von 29 auf 41. So positiv dies auf den ersten Blick klingt, zeigt jedoch die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2022 ein gravierendes Defizit: Bei 41 Plätzen in fünf Bundesländern ergibt sich ein Platz auf 1.375 potenzielle männliche Gewaltopfer.

Die BFKM fordert deswegen einen Ausbau des Schutz- und Beratungsnetzes. „Wir gehen davon aus, dass es mindestens drei bis fünf Männerschutzeinrichtungen pro Bundesland – je nach Größe und Einwohnerzahl – geben muss. Das wäre noch keine gute, aber so etwas wie eine Mindest-Flächendeckung“, sagt Damme. Durch fehlende Angebote und fehlende Kenntnis darüber entstehe schnell der Eindruck, „dass Mann allein mit seinem Gewaltproblem ist“, warnt Damme.

Gleichzeitig betont der Experte, dass aus mehr Mitteln für Männer kein Nachteil für Frauen entstehen dürfe. Die finanziellen Mittel müssten in beiden Bereichen deutlich erhöht werden. „Jede und jeder Betroffene von häuslicher Gewalt hat ein Hilfeangebot verdient – da spielt es keine Rolle, welchem Geschlecht oder welcher Sexualität sich die Person zuordnet.“

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