Vergessene Fertigkeiten neu entdecken

VonC. Peters

17. Oktober 2023

Berlin (KNA)Wer heute ein Loch in der Socke hat, wirft sie kurzer Hand in den Müll. Oma hätte das niemals gemacht: Da wurde jedes Loch im Strumpf fein säuberlich mit einer besonderen Webtechnik gestopft – eine Fertigkeit, die heute nur noch selten beherrscht wird. Das Loch mit Nadel und Faden einfach zusammenzuziehen funktioniert nämlich nicht: Dadurch entsteht ein unangenehmer Hubbel, auf dem man nicht laufen kann.

Im neuen „Handbuch der vergessenen Fertigkeiten“ steht altes Wissen wie dieses im Mittelpunkt. Das Buch richtet sich an Kinder ab sieben Jahren und ausdrücklich auch an Erwachsene. Es will zeigen, wie sich die Menschen früher die Zeit vertrieben und aus Kostengründen und Ressourcenmangel das Thema Nachhaltigkeit automatisch immer mitgedacht wurde.

Altes Wissen

Die Britinnen Elaine Batiste und Natalie Crowley haben sich dieses Themas im vergangenen Jahr angenommen und ein Buch veröffentlicht, das jetzt erstmals in deutscher Übersetzung erschienen ist. Näh-Bloggerin Batiste und Lehrerin Crowley, die nach eigenen Angaben mit ihren Schülern gerne draußen unterwegs ist, haben Wissen zusammengetragen, dass unseren Urgroßeltern den Alltag erleichterte und außerdem die Zeit vertrieb.

Die Tipps werden historisch eingeordnet und mit leicht verständlichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen zum Selbermachen ergänzt. Es geht um Kochen, Nähen, Basteln, sich draußen Zurechtfinden oder einfach nur Spielen.

Knoten knüpfen und Lagerfeuer machen

Ein Buch, das im Sinne des Umweltschutzes auch ins 21. Jahrhundert passt und statt passiver Bildschirmnutzung auf die eigene Produktivität setzt – sei es beim Knoten knüpfen, Lagerfeuer machen, Kompass benutzen, Platten flicken, Färben mit Naturmaterialien, Omelette backen oder Kräuter trocknen. Auch Münztricks, die dem ein oder anderen aus der Kindheit vielleicht von Familienfeiern mit älteren Onkeln bekannt sein dürften, werden zum Nachmachen erklärt – genauso wie einen Papierflieger zu basteln oder flache Steine übers Wasser hüpfen zu lassen.

„Handys, das Internet und Videospiele gab es noch nicht, doch langweilig wurde es der Generation unserer Urgroßeltern dennoch nicht. Sie wussten, wie man aus wenigen Dingen leicht etwas basteln, nähen oder kochen kann“, schreiben die Autorinnen. „Etwas selbst zu machen hat viele Vorteile: Es ist nachhaltiger, als Dinge neu zu kaufen, und kostet meist nicht viel. Und vor allem macht Handarbeit richtig Spaß“.

Eingelegtes Gemüse

Wie etwa das Gemüse einlegen, was Menschen demnach schon seit mehr als 4.000 Jahren tun. So schwor Kleopatra auf eingelegtes Gemüse, um gesund und schön zu bleiben, und Seeleute nahmen es mit aufs Schiff, um Krankheiten wie Skorbut vorzubeugen. Neben Gurken sind laut Handbuch fast alle Sorten Obst und Gemüse dafür geeignet – gleich ob Möhren, Blumenkohl, Okra, grüne Bohnen und sogar Rote Bete.

Die Kunst des Geschenkeverpackens soll in Korea zur Zeit der Drei Reiche ihren Anfang genommen haben, als man Geschenke mit dekorativen Stoffen umwickelte. Klebeband dagegen wurde erst 1930 erfunden. Wie also haben die Menschen in der Zwischenzeit Geschenke verpackt? „Mit einfachem braunem Papier – und Schnur! Diese Technik macht Spaß und ist umweltfreundlich, weil sie ohne Plastik auskommt“, heißt es in dem Handbuch. Manche Großtante macht es bei Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenken heute noch genauso.

Bunt gewürfelter Bettüberwurf

Wer Patchworkdecken kauft, muss normalerweise viel Geld ausgeben – jedenfalls wenn es sich um fair gehandelte Ware handelt. Das Buch liefert die Anleitung dazu, den bunt gewürfelten Bettüberwurf einfach aus Stoffresten selbst zu machen. Die „Kunst des Quiltens“ gibt es demnach bereits mindestens seit dem Mittelalter. Manche Muster waren einfach, andere sehr kunstvoll und aufwändig. Jedem Quilt sei „die Geschichte einer Familie und einer Kultur eingenäht“, wie es heißt.

Auch die Kunst des Sockenstopfens ist uralt: Im 2. Jahrhundert trugen die Römer die ersten gestrickten Socken. Seitdem beherrschen die Menschen demnach auch die Kunst des Stopfens, damit ihre Socken länger halten. Deshalb empfehlen die Autorinnen: „Wenn du heute früh eine Socke mit Loch gefunden hast, schmeiß sie nicht weg – schnapp dir lieber eine Nadel“.

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