Berlin (KNA) Die Bundesregierung sollte nach Ansicht von Unicef Deutschland die Belange von Kindern und Jugendlichen stärker in den Blick nehmen. Vor allem in den Bereichen Bildung, Armutsbekämpfung und emotionale Gesundheit seien in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode mehr Anstrengungen der Regierung erforderlich, sagte der Vorsitzende des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen in Deutschland, Georg Graf Waldersee, am Donnerstag in Berlin. Zudem sei die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag beabsichtigte Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ein wichtiges Signal, das zügig umgesetzt werden solle.
Unicef stellte am Donnerstag seinen sechsten „Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland“ vor. Zwar erlebten die meisten Mädchen und Jungen in Deutschland eine sichere und gesunde Kindheit. Die Zahl der Kinder, die in Familien aus den unteren Einkommensbereichen aufwachsen, steige jedoch, heißt es darin. Das Risiko, dauerhaft in Armut zu leben, sei für 1,3 Millionen Mädchen und Jungen in Deutschland akut. Dies sei oft abhängig vom familiären Umfeld, vom Bildungsgrad und der Berufstätigkeit der Eltern.
Verantwortung nicht allein bei Familien belassen
Nach Ansicht von Unicef darf die Verantwortung für die kindliche Entwicklung nicht alleine bei den Familien liegen. Hier könnten die von der Bundesregierung geplante Kindergrundsicherung und die weiteren familienpolitischen Zusagen aus dem Koalitionsvertrag Hilfen schaffen. „Diese müssen aber auch umgesetzt werden“, so Graf Waldersee. Es brauche deutlich mehr Investitionen in Grundschulen, verlässliche Sach- und Geldleistungen für benachteiligte Familien und mehr Aufmerksamkeit für die Sorgen und Probleme von Kindern und Jugendlichen.
„Teilhabe und individuelle Förderung – in pädagogischer, vor allem aber in finanzieller Hinsicht – sind für Familien fundamental“, sagte der Autor des Berichts, der Familiensoziologe Hans Bertram. Verpasste Bildungschancen und Armutserfahrungen in der Kindheit wirkten sich negativ auf den weiteren Lebensverlauf und die Widerstandsfähigkeit bei Problemen aus. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen wie Armutsbekämpfung, Gesundheit und gute Bildung seien auch Indikatoren für die Entwicklung der Kinder, betonte Bertram.
Neue Kooperationen erforderlich
Die Zufriedenheitswerte und das Sicherheitsgefühl von Kindern und Jugendlichen seien nach der Corona-Pandemie deutlich gesunken, erklärte der Familiensoziologe weiter. Die vielfältigen Veränderungen der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen etwa durch die Digitalisierung erforderten eine neue Kooperation zwischen Schulen, Jugendhilfe und Zivilgesellschaft.
Unicef stellte am Donnerstag auch eine Datenbank zum „Kindsein in Deutschland“ vor. Darin seien ausgewählte, aktuelle und geprüfte Daten zum Wohlbefinden der Kinder gesammelt, hieß es. Betrachtet würden die kindliche Zufriedenheit, elterliche Unterstützung und Beziehungen, Bildung, Gesundheit, Risiken und Gefahren sowie die materielle Situation von Kindern und Jugendlichen. Ab dem kommenden Montag soll die Datenbank den Angaben zufolge unter www.unicef.de/cwb-datenbank online erreichbar sein.