„Tschernobyl ist nicht dagegen“: So katastrophal wären die Folgen einer Sprengung des Atomkraftwerks Saporischschja

VonFlorian Stickel

8. Juli 2023
Archivbild: "File:Kernkraftwerk Saporischschja.JPG" by Ralf1969 is licensed under CC BY-SA 3.0. (cropped)Archivbild: "File:Kernkraftwerk Saporischschja.JPG" by Ralf1969 is licensed under CC BY-SA 3.0. (cropped)

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland erneut vorgeworfen, dass es einen „Terrorakt“ im besetzten Atomkraftwerk Saporischschja plane.

Auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) warnt vor einer Eskalation und drängt auf die Einrichtung einer nuklearen Sicherheitszone um das Kernkraftwerk in Saporischschja. IAEA-Experten sind vor Ort, um einen Atomunfall zu verhindern. Es gibt ukrainische Berichte über Sprengkörper auf dem Dach des AKW, während Russland ebenso vor Sabotage warnt.

Doch welche Folgen hätte die Zerstörung von Europas größtem Atomkraftwerk, und warum könnte Russland diesen Schritt überhaupt in Erwägung ziehen? Die britische Zeitung Daily Mail hat mit Experten gesprochen, und die sind sich sicher: Eine Zerstörung des Atomkraftwerks Saporischschja hätte schwerwiegende Konsequenzen.

Eine Anwohnerin schätzt die Gefahr als enorm ein: „Wenn sie das Atomkraftwerk in die Luft jagen, wäre Russland betroffen, auf jeden Fall halb Russland und halb Europa. Tschernobyl ist nichts im Vergleich zu unserem Kernkraftwerk“, sagte sie laut Euronews.

Saporischschja liegt im Südosten der Ukraine, das Kraftwerk befindet sich etwa 80 Kilometer entfernt bei der Stadt Nikopol. Schon in der Vergangenheit wurde das Kernkraftwerk mehrmals angegriffen. Zur Zeit sind dort russische Truppen stationiert. Laut Daily Mail halten sich zur Zeit mehr Soldaten als ziviles Personal in dem Kraftwerk auf.

Sollten ukrainische Truppen im Zuge der Gegenoffensive weiter vorrücken, könnte Russland das Kraftwerk sprengen, und somit den Vormarsch stoppen, spekulieren die Experten. Möglicherweise reiche bereits die Drohung mit einem Atomunfall aus, um die Pläne des Gegners zu stoppen, oder um die westlichen Verbündeten der Ukraine unter Druck zu setzen, heißt es.

Denn die Folgen eines atomaren Zwischenfalls in Saporischschja wären desaströs und vergleichbar mit der Katastrophe von Fukushima. 2011 war es nach einem Tsunami zu einer Reihe von Kernschmelzen in dem japanischen Kraftwerkskomplex gekommen. In der Folge mussten über 100.000 Menschen evakuiert werden, ganze Orte wurden unbewohnbar. Ähnlich würde ein Vorfall in Saporischschja zu Evakuierungen und radioaktiver Kontamination führen.

Die Experten geben zu bedenken, dass von der radioaktive Strahlung die umliegenden Städte und Bezirke betroffen wären – Saporischschja hatte vor dem Krieg über 750.000 Einwohner, das 90 Kilometer entfernte Dnipro eine Million, und das 220 Kilometer östlich gelegene Charkiw war mit damals 1,5 Millionen Einwohnern sogar die zweitgrößte Stadt des Landes. Viele Menschen sind zwar mittlerweile geflohen, aber noch immer wohnen Hunderttausende in der Region.

Außerdem warnen die Experten davor, dass der Fallout einer Nuklearkatastrophe auch Russlands besetzte Gebiete oder Russland selbst betreffen könnte. Je nachdem, wie der Wind steht.

Von anderer Seite gibt es jedoch Entwarnung: Die Reaktoren können nicht explodieren, weil sie in einer starken Hülle aus anderthalb Meter dickem Stahlbeton eingebettet sind, so Oleksij Tolkatschew, früherer Vorsitzender des öffentlichen Rats der Aufsichtsbehörde für nukleare Regulierung der Ukraine. Diese Hülle könne einem Kleinflugzeugabsturz, einer internen Explosion oder einem Unfall standhalten. Nur wenn mehrere schwere Bomben explodierten und der Reaktorbehälter beschädigt würden, könnten radioaktive Stoffe freigesetzt werden, erklärte er laut n-tv.de

Archivbild: „File:Kernkraftwerk Saporischschja.JPG“ by Ralf1969 is licensed under CC BY-SA 3.0. (cropped)

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