Scholz appelliert: «“Nie wieder“ ist jeden Tag»

VonJudith Eichhorn

27. Januar 2024

Berlin (dpa) – Anlässlich des Holocaust-Gedenktags ruft Bundeskanzler Olaf Scholz zum entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus auf. ««Nie wieder» ist jeden Tag», sagt der SPD-Politiker in seinem wöchentlichen Video «Kanzler kompakt», das heute veröffentlicht wird. «Der 27. Januar ruft uns zu: Bleibt sichtbar! Bleibt hörbar! Gegen Antisemitismus, gegen Rassismus, gegen Menschenhass – und für unsere Demokratie.»

Bundesweit wurde am 79. Jahrestag bei zahlreichen Veranstaltungen an die Befreiung des früheren deutschen Konzentrationslagers Auschwitz an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Die Nazis hatten dort mehr als eine Million Menschen ermordet, überwiegend Juden. Seit 1996 wird das Datum in Deutschland als Holocaust-Gedenktag begangen, die Vereinten Nationen haben das Datum 2005 zum Gedenktag ausgerufen.

Am Abgrund der Menschlichkeit

Scholz betonte, die heutige Demokratie gründe auf dem zentralen Bekenntnis «Nie wieder». «Nie wieder Ausgrenzung und Entrechtung, nie wieder Rassenideologie und Entmenschlichung, nie wieder Diktatur.» Dafür zu sorgen, sei die zentrale Aufgabe des Staates. «Deswegen bekämpfen wir jede Form von Antisemitismus, Terrorpropaganda und Menschenfeindlichkeit.» Das «Nie wieder» fordere die Wachsamkeit aller, sagte der Kanzler mit Blick auf die aktuellen Demonstrationen gegen rechts. «Unsere Demokratie ist nicht gottgegeben. Sie ist menschengemacht. Sie ist stark, wenn wir sie unterstützen. Und sie braucht uns, wenn sie angegriffen wird», mahnte Scholz.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf der Plattform X (einst Twitter), Nazi-Deutschland habe «die Welt in den Abgrund der Menschlichkeit schauen lassen. Es ist an uns Lebenden, aus der Verantwortung für unsere Vergangenheit heraus unsere Gegenwart zu gestalten. Nie wieder ist jetzt.» Zahlreiche Bundesminister zeigten sich auf X mit Schildern der Gedenkkampagne «We remember». Bundesinnenministerin Nancy Faeser ordnete für die Dienstgebäude des Bundes für Samstag Trauerbeflaggung an.

Die SPD-Politikerin nahm auch an einer Lesung in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück in Fürstenberg/Havel teil. «Keine 80 Jahre nach dem Ende des Hitler-Regimes werden wieder Pläne geschmiedet, Menschen systematisch zu diskriminieren und zu drangsalieren, zu entrechten und zu vertreiben aufgrund ihrer Abstammung, ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer politischen Haltung», sagte die Ministerin. «Wir stehen in der Verantwortung, das nicht zuzulassen.» Faeser sieht hier neben dem Rechtsstaat auch die Bevölkerung gefragt. «“Nie wieder“ ist keine Floskel, sie ist unser aller Auftrag.»

EKD: Antisemitismus ist Gotteslästerung

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) machte deutlich, dass Antisemitismus unvereinbar mit dem Glauben sei. Die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich sagte: «Extremistische, rassistische, und völkisch-nationalistische Einstellungen schlagen Gott ins Gesicht.» Heinrich und die amtierende EKD-Ratsvorsitzende, Bischöfin Kirsten Fehrs, wiesen zugleich auf die Beschlüsse der EKD-Synode vom November 2023 hin, wonach es sich bei Antisemitismus um eine Form der Gotteslästerung handele.

Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer zeigte sich besorgt über den Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland. «Ich hätte es nie gedacht, dass es wieder so kommen würde, denn so hat es ja damals auch angefangen», sagte die 102-Jährige am Freitag den ARD-«Tagesthemen». Für «die, die wir das erlebt haben», sei es «besonders schwer, zu verstehen, und sehr traurig».

Der frühere Fußball-Kommentator Marcel Reif, Sohn eines Holocaust-Überlebenden, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag): «“Nie wieder!“ ist eine Existenzgrundlage dieses Staates.» Er hoffe, dass die Deutschen das beherzigten. Reif soll am 31. Januar bei der diesjährigen Gedenkstunde des Bundestages neben Eva Szepesi, die als Kind Auschwitz überlebte, sprechen.

Neue Formate für das Holocaust-Gedenken

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte neue Formate für das Holocaust-Gedenken. Es gebe nur noch wenige Überlebende des Holocaust, die persönlich Zeugnis ablegen und von den Verbrechen der Schoah berichten könnten, sagte Klein den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Gedenkstätten müssten «digitaler und auch mobiler werden», etwa in sozialen Medien, aber auch ganz real im Sportverein oder in der Musikschule.

Quellen: Mit Material der dpa.

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