Berlin (dpa) – Angesichts anhaltender Regenfälle und gesättigter Böden bleibt die Hochwassergefahr in Teilen von Deutschland hoch. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) warnt weiterhin vor Dauerregen in mehreren Regionen.
Besonders stark betroffen ist Windehausen (Kreis Nordhausen) in Nordthüringen. Dort spitzte sich die Hochwasserlage so zu, dass am ersten Weihnachtsfeiertag die komplette Räumung des knapp 500 Einwohner zählenden Ortsteils von Heringen notwendig wurde. «Die Situation ist sehr bedrohlich, so ein Bild habe ich in der Goldenen Aue noch nicht gesehen», sagte der Bürgermeister der Stadt Heringen, Matthias Marquardt (Linke), der Deutschen Presse-Agentur.
Bis zum späten Abend hatten nach seinen Schätzungen ungefähr 400 Menschen ihre Häuser verlassen. «Etwa 100 Menschen sind in ihren Häusern verblieben», berichtete der Bürgermeister. Nicht alle Gebäude seien in dem Ortsteil durch das Hochwasser bedroht.
Das Wasser stand teilweise bis zu einem Meter hoch in dem Ort. Es gebe keinen Strom, keine Zufahrt und auch keine Festnetztelefonie, beschrieb der Bürgermeister die kritische Lage. Außerdem funktionierten die Toiletten wegen der fehlenden Abflüsse nicht mehr. Den Einwohnern sei daher dringend angeraten worden, ihre Häuser zu verlassen. Die Menschen würden jedoch nicht mit Polizeigewalt aus ihrem Zuhause geholt, betonte der Bürgermeister.
«Wie eine Badewanne, die voll gelaufen ist»
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der sich am Montag selbst ein Bild vor Ort machte, schrieb auf der Internetplattform X (vormals Twitter): «Allen vom Hochwasser betroffenen Personen gilt meine Hoffnung alsbald nach Hause zurückkehren zu können.» Wann die Menschen tatsächlich wieder in ihre Häuser in Windehausen zurückkehren können, ist derzeit noch ungewiss. Der Bürgermeister rechnet damit, dass die dortige Hochwasserlage noch mehrere Tage andauern wird. «Das ist wie eine Badewanne, die voll gelaufen ist.»
Die Bewohner wurden seit Montagmittag mit Radladern und Katastrophenschutzfahrzeugen evakuiert. Sie wurden zu Sammelpunkten und von dort mit Bussen in eine Turnhalle in Heringen gebracht. Viele Bewohner seien bei Familienangehörigen untergekommen.
Angespannt war die Hochwasserlage weiterhin auch in Teilen von Sachsen-Anhalt und Sachsen. Eine 45 Jahre alte Autofahrerin blieb an Heiligabend in Frankenberg (Kreis Mittelsachsen) mit ihrem Wagen im Hochwasser stecken und wurde von der Feuerwehr unverletzt geborgen.
Bahngleise sind unterspült
Voraussichtlich noch bis Mittwoch (27. Dezember) ist der Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Hannover und Magdeburg beeinträchtigt. IC-Züge würden in beiden Fahrtrichtungen umgeleitet und verspäteten sich dadurch um etwa 30 Minuten, teilte die Deutsche Bahn auf ihrer Internetseite mit. Hintergrund sind demnach Gleisunterspülungen auf der Strecke von Magdeburg nach Helmstedt.
Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) warnte vor Sturmfluten im Wesergebiet und an der niedersächsischen Nordseeküste. Konkret wurden Bremen, Bremerhaven, Elsfleth, Brake und Rechtenfleth an der Weser sowie Wilhelmshaven an der Nordsee genannt. In weiteren Regionen Niedersachsens war die Lage angespannt. Hunderte Freiwillige Feuerwehrleute sind unter anderem im Landkreis Northeim sowie im Harz im Einsatz, um mit Sandsäcken Deiche zu errichten und Wohngebiete vor Überschwemmungen zu schützen. In Celle musste ein Alten- und Pflegeheim vorsorglich evakuiert werden. Wegen der Hochwasserlage hat die Stadt Oldenburg ein Betretungsverbot für Deichflächen und dortige Wege erlassen.
Die Hochwasserlage in Hamburg und Teilen Schleswig-Holsteins ist am ersten Weihnachtstag dagegen weitgehend entspannt geblieben. Für Hamburg wurde an der Elbe mit einem Wert von 1,5 Meter über dem mittleren Hochwasser (MHW) gerechnet. Als Sturmflut werden Messstände ab 1,50 Meter und mehr gewertet.
Angesichts der starken Regenfälle und des Hochwassers in vielen Teilen von Nordrhein-Westfalen hat Umweltminister Oliver Krischer weiter große Vorsicht angemahnt. «Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine angespannte Hochwassersituation», sagte der Grünen-Politiker am ersten Weihnachtsfeiertag in Oberhausen, wo er sich über die Lage am Ruhrdeich informierte. Für eine Entwarnung gebe es noch gar keinen Anlass – «ganz im Gegenteil». Angesichts weiterer Regenfälle sei damit zu rechnen, dass die Lage zunächst auch angespannt bleibe. Besonders stark betroffen bleiben nach Daten des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) von Montagvormittag die Weserzuflüsse im östlichen Landesteil.
Wetterdienst warnt vor Dauerregen
Dagegen entspannte sich die Lage an den Flüssen und Bächen in Rheinland-Pfalz nach Einschätzung der Hochwasserzentrale zusehends. Am Oberrhein sinken die Wasserstände bis einschließlich Worms nach Angaben der Hochwasservorhersagezentrale bereits wieder. An der Mosel in Trier hat der Pegel den Angaben zufolge in der Nacht zu Montag mit 6,14 Meter den Höchststand erreicht. Seither seien dort sinkende Werte gemessen worden.
Auch die Hochwasserlage in Bayern hat sich nach Angaben des Hochwassernachrichtendienstes (HND) etwas beruhigt. Franken und Ostbayern waren besonders betroffen. In Nabburg (Landkreis Schwandorf) kenterte ein Kanute auf der Naab. Er konnte sich selber aus dem Fluss retten.
Der Deutsche Wetterdienst warnt weiterhin vor Dauerregen in mehreren Regionen. Insbesondere in den westlichen Mittelgebirgen – vom Bergischen Land bis ins Weserbergland – und im Oberharz seien nach wie vor hohe Mengen zu erwarten, hieß es in einer DWD-Unwetterwarnung vom Montagvormittag. Im Erzgebirge dauere außerdem starkes Tauwetter an. Die Unwetterwarnung galt für Teile von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Sachsen. An Bächen und Flüssen sei Hochwasser zu erwarten. Neben Überschwemmungen könne es auch zu Erdrutschen kommen. Der Großteil des Landes bleibe im Einflussbereich milder und sehr feuchter Luftmassen. Die Dauerregenlage halte teilweise bis Dienstag an.
Quellen: Mit Material der dpa.