Orban feiert auf X seine Blockade: „Veto gegen zusätzliches Geld für die Ukraine“

VonLukas Richter

15. Dezember 2023

Beim jüngsten EU-Gipfel in Brüssel sorgte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban für Enttäuschung und Verärgerung, nachdem er zunächst überraschend Zustimmung für EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine signalisiert hatte.

Orbans Veto verhinderte die Verabschiedung eines Finanzhilfe-Pakets für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden Euro, das von den anderen Staats- und Regierungschefs geplant war. Die Fortsetzung der Verhandlungen ist nun für Januar angesetzt.

EU-Ratspräsident Charles Michel erklärte, dass man Anfang des nächsten Jahres versuchen wird, Einstimmigkeit zu erreichen. Indes feierte Orban auf dem Internetportal X sein „Veto gegen zusätzliches Geld für die Ukraine“ und gegen den mehrjährigen Finanzplan der EU. Er betonte, dass man sich nächstes Jahr „nach ordentlichen Vorbereitungen“ erneut mit diesem Thema befassen werde.

Haushalt liegt auf Eis

Die geplanten Haushaltsvorhaben der EU, die neben der finanziellen Unterstützung der Ukraine in Höhe von 17 Milliarden Euro an Zuschüssen und 33 Milliarden Euro an Krediten auch Anpassungen in anderen Bereichen des EU-Haushalts von 2021 bis 2027 vorsahen, liegen nun auf Eis. Diese Pläne beinhalteten auch zusätzliche Mittel für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Migrationspolitik, vor allem auf Wunsch von Ländern wie Italien.

Orban hatte die Vorschläge der EU-Kommission zur Überarbeitung des langfristigen Haushalts schon vor dem Gipfel als „unbegründet, unausgewogen und unrealistisch“ kritisiert. Obwohl die anderen Staats- und Regierungschefs bis zuletzt gehofft hatten, ihn durch Kompromissangebote umstimmen zu können, blieb er bei seinem Veto.

Verfahrenstrick im Streit um Beitrittsgespräche

Zuvor hatte es unerwartet einen Durchbruch in einer anderen Frage gegeben. So ermöglichte es Orban überraschend, den Start von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu beschließen, indem er nicht an der entscheidenden Abstimmung teilnahm. Nach Angaben des scheidenden niederländischen Regierungschefs Mark Rutte zeigte ihm der Bundeskanzler Olaf Scholz diesen Weg auf. Ungarn konnte so bei seinem Nein zu den Beitrittsverhandlungen bleiben, ohne sie zu blockieren.

Dass Orban nicht auch bei den Entscheidungen zu den Finanzthemen eine Entscheidung ermöglichte, könnte daran gelegen haben, dass diese sein Land viel Geld kosten könnte. Der Beschluss für den Start von EU-Beitrittsverhandlungen ist hingegen nur symbolisch sehr wichtig, da ein tatsächlicher Beitritt der Ukraine vor dem Jahr 2030 als ausgeschlossen gilt.

Geldprobleme drohen zunächst nicht

Selenskyj äußerte sich zu dem nächtlichen Veto Orbans zunächst nicht. Die Entscheidung zum Start von EU-Beitrittsverhandlungen hatte er zuvor als Erfolg für die Ukraine und ganz Europa bezeichnet. «Ein Sieg, der motiviert, inspiriert und stärkt», schrieb der Staatschef über den Kurznachrichtendienst X.

«Auf diesen Schritt werden die nächsten folgen», sagte er in einer Videoansprache aus Lwiw am frühen Morgen. «Es ist eine große Aufgabe, den Staat, alle Institutionen, alle Normen – alles in die Europäische Union zu integrieren. Aber wir werden es schaffen.» Die Ukraine habe wiederholt bewiesen, wozu sie fähig sei. «Es wird die Zeit kommen, in der wir den Beitritt der Ukraine zur EU feiern können.»

Nach Angaben von Diplomaten wird die ausgebliebene Einigung auf neue Finanzhilfen die Ukraine bis zu dem nächsten EU-Gipfel im Januar nicht in Schwierigkeiten bringen. Schon jetzt wird zudem an Plänen gearbeitet, wie die Unterstützung auch außerhalb des EU-Haushalts organisiert werden könnte. Dann könnte Orban diese nicht mehr blockieren.

Einigung auf neue Russland-Sanktionen

Als weiteren Erfolg des ersten Gipfeltages können die Staatschefs auch den Beschluss eines neuen Pakets mit Sanktionen gegen Russland verbuchen. Es sieht vor, ein Einfuhrverbot für Diamanten einzuführen und den zuletzt kaum noch wirkenden Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten zu verschärfen. Zudem sind für weitere Güter Handelsbeschränkungen sowie Strafmaßnahmen gegen Personen und Organisationen geplant, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.

Im Gegensatz zu Großbritannien hat die EU bislang kein Importverbot für Diamanten aus Russland verhängt. Grund war lange vor allem der Widerstand Belgiens, wo die flämische Hafenstadt Antwerpen seit dem 16. Jahrhundert eines der bedeutendsten Diamantenzentren der Welt ist. Russland gilt wiederum als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten. 2021 hatte der staatliche Diamantenförderer Alrosa Einnahmen in Höhe von 332 Milliarden Rubel (rund 3,41 Milliarden Euro).

Neben den wirtschaftlichen Strafmaßnahmen sind nach EU-Angaben Sanktionen gegen mehr als 100 weitere Personen und Organisationen vorgesehen, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen. Diese könnten dann nicht mehr über in der EU vorhandene Vermögen verfügen. Die betroffenen Personen dürften zudem nicht mehr in die EU einreisen. Sie sollen zum Beispiel aus dem russischen Militär-, Verteidigungs- und IT-Sektor stammen.

Quellen: Mit Material der dpa.

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