Los Angeles (dpa) – Die schockierende Bluttat im schicken Beverly Hills hat weltweit Schlagzeilen gemacht. Jose Menendez, millionenschwerer Boss eines Videounternehmens, und Ehefrau Kitty waren am 20. August 1989 im Wohnzimmer ihrer Villa vor dem Fernseher erschossen worden. Nach Angaben der Polizei waren die Körper durch den Kugelhagel bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Ihre beiden Söhne Erik und Lyle – damals 18 und 21 Jahre alt – machten in ersten Vernehmungen die Mafia verantwortlich. Erst ein halbes Jahre später wurden die Brüder unter Mordverdacht festgenommen. Seitdem sitzen sie hinter Gitter – doch das könnte sich bald ändern.
Netflix rollt den Fall auf
Der Fall findet derzeit wieder weltweit Aufmerksamkeit. Zwei Netflix-Produktionen rollen das Mord- und Justizspektakel auf. Die jetzt 53 und 56 Jahre alten Brüder haben in ihren Bemühungen um eine Freilassung prominente Fürsprecher, darunter Reality-Fernsehstar und Aktivistin Kim Kardashian (44), die sich schon länger für die Begnadigung von Häftlingen in den Vereinigten Staaten einsetzt.
Durch Gnadengesuch auf freien Fuß?
Zudem macht sich der Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles, George Gascón, für eine Neuverurteilung mit einem geringeren Strafmaß stark. Falls ein Richter dies bewilligt, könnten die Brüder fast 35 Jahre nach ihrer Festnahme möglicherweise bald auf freien Fuß kommen. Gascón hat sich auch hinter ein Gnadengesuch der Brüder an den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom gestellt. Für Dezember ist eine weitere Anhörung angesetzt.
Serie und True-Crime-Doku
Die am 19. September gestartete Serie «Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez» mit neun Episoden ist in den ersten rund sechs Wochen weltweit mehr als 62 Millionen Mal abgerufen worden. In der Serie werden die Brüder Lyle und Erik von Nicholas Alexander Chavez und Cooper Koch dargestellt. Die rund zweistündige Netflix-Doku «Die Brüder Menendez», die am 7. Oktober startete, sammelte in drei Wochen 33 Millionen Abrufe.
Die Serie über die Geschichte der Menendez-Brüder ist die zweite Staffel des Anthologie-Formats über aufsehenerregende Mörder von Ryan Murphy und Ian Brennan. Wenn Serienmacher Murphy eine neue Produktion an den Start schickt, dann wird die meist zum Welthit. Für eine True-Crime-Serie ist der spektakuläre Menendez-Fall bestens geeignet. Denn der drehte sich um tyrannische Eltern, ein Millionenvermögen und Vorwürfe von se xuellem Missbrauch.
Verdacht und Festnahme
Erik und Lyle waren schon kurz nach den zunächst ungeklärten Morden unter Verdacht geraten, als sie Hunderttausende Dollar des Vermögens ihrer Eltern für Autos, Armbanduhren und andere Luxusartikel ausgaben.
Die Brüder gestanden später die Tat. Sie erklärten, sie seien jahrelang von ihren Eltern se xuell, psychisch und körperlich missbraucht worden und hätten Angst gehabt, dass ihre Eltern sie zum Schweigen bringen wollten. Quasi aus Notwehr hätten sie die Morde begangen. Doch laut der Staatsanwaltschaft töteten sie aus Habgier, um an das Vermögen ihrer Eltern heranzukommen.
Zwei Strafprozesse
Im ersten Strafprozess gegen die Millionärssöhne, der Live aus dem Gerichtssaal übertragen worden war, gab es emotionale Schilderungen über jahrelangen se xuellen Missbrauch durch den Vater. Doch am Ende platzte das Verfahren – die Geschworenen konnten sich 1994 nicht einstimmig auf ein Urteil einigen.
In einem zweiten Prozess wurden die Brüder 1996 dann wegen Doppelmordes schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit einer Entlassung verurteilt. In diesem Verfahren hatte der zuständige Richter Aussagen über den mutmaßlichen se xuellen Missbrauch weitgehend untersagt.
Kim Kardashian: «Sie sind keine Monster»
Das bringen nun die Unterstützer der Brüder vor. Kim Kardashian, die sich zur Anwältin ausbilden lässt und für eine Reform des Justizsystems eintritt, fordert ihre sofortige Freilassung. Sie hat die Brüder im Gefängnis im kalifornischen San Diego besucht. «Sie sind keine Monster. Sie sind freundliche, intelligente und ehrliche Männer», schrieb Kardashian Anfang Oktober in einem langen Essay. Hinter Gitter hätten sie studiert und sich als Mentoren engagiert.
Während der Prozesse seien die Brüder in den Medien als habgierige Monster dargestellt worden, so Kardashian. Der se xuelle Missbrauch von Jungen und deren Trauma sei damals öffentlich kaum wahrgenommen worden. Wären es Menendez-Schwestern gewesen, wären sie wohl nachsichtiger behandelt worden, schreibt die Unternehmerin. Die Brüder hätten im zweiten Verfahren keinen «fairen» Prozess erhalten.
Männer als Opfer se xueller Gewalt
Auch Bezirksstaatsanwalt Gascón legt nahe, dass es in den 1990er Jahren ein geringeres Bewusstsein dafür gab, Männer als Opfer von se xueller Gewalt zu sehen. Es gibt auch neues Beweismaterial, das den Missbrauch durch den Vater nahelegt. Etwa einen Brief, in dem Erik wenige Monate vor der Tat seinem Cousin schilderte, dass er in Angst vor den Übergriffen seines Vaters lebte. Zudem behauptet jetzt auch ein früheres Mitglied der Boy-Band Menudo, er sei damals als Teenager von Jose Menendez vergewaltigt worden.
Quellen: Mit Material der dpa.