Mehr antisemitische Delikte in Deutschland

VonC. Peters

6. November 2023

Bonn (KNA)Bereits jetzt zeichnet sich laut einem Bericht der „Rheinischen Post“ (Montag) ab, dass antisemitische Straftaten in Deutschland im laufenden Jahr deutlich zugenommen haben. Aus einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion im Bundestag geht demnach hervor, dass im dritten Quartal 2023 bisher 540 antisemitisch motivierte Straftaten polizeilich erfasst worden seien – und damit deutlich mehr als in früheren Quartalen.

Im ersten Quartal 2023 seien es 379 gewesen, im zweiten Quartal 446 und im dritten Quartal des vergangenen Jahres 306. Dabei handele es sich jeweils um vom Bundeskriminalamt vorläufig erfasste Zahlen ohne Nachmeldungen. Die endgültigen Zahlen der Straftaten liegen dem Bericht zufolge teilweise deutlich über den Erstmeldungen.

Gefahrenlage könnte sich weiter verschärfen

„Das ist insbesondere daher erschreckend, da die Eskalation antisemitischer Gewalt und Bedrohungen seit dem 7. Oktober 2023 hier noch gar nicht mit aufgeführt sind“, sagte die Linken-Politikerin Petra Pau der Zeitung: „Es ist zu befürchten ist, dass sich die Gefahrenlage von Jüdinnen und Juden für den Rest des Jahres noch weiter verschärft.“

Unter den 540 antisemitischen Straftaten aus dem dritten Quartal 2023 waren dem Bericht zufolge 14 Gewalttaten und 44 Propagandadelikte. Der überwiegende Teil dieser Taten (450) werde dem rechten politischen Spektrum zugeordnet.

Scholz: „Es um Zivilcourage“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte dem „Mannheimer Morgen“ (Montag): „Wer Juden in Deutschland angreift, greift uns alle an. Deshalb sollten wir uns alle für den Schutz von Jüdinnen und Juden in Deutschland einsetzen, da geht es um Zivilcourage.“ Und: „Es ist egal, von woher er kommt, ob von ewig Gestrigen, von links, von rechts, ob er aus religiösen oder atheistischen Motiven entsteht.“

Scholz betonte zugleich, dass es Aufgabe des Staates sei, jüdische Einrichtungen zu schützen. „Die Strafverfolgungsbehörden haben die nötigen Instrumente und müssen sie konsequent nutzen. Mein Eindruck ist: Polizeibehörden und Gerichte wissen, was zu tun ist.“ Es gebe „glasklare Gesetze“: „Es ist strafbar, israelische Fahnen zu verbrennen. Es ist strafbar, den Tod von Unschuldigen zu bejubeln. Es ist strafbar, antisemitische Parolen zu brüllen.“

Bund-Länder-Gipfel zur Migration

Vor dem geplanten Bund-Länder-Gipfel zur Migration warnte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, in den Zeitungen der Funke Mediengruppe davor, in der Debatte um Judenfeindlichkeit vor allem auf Migranten zu schauen. Stattdessen müsse man die schon länger in Deutschland lebenden arabisch- und türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen stärker in den Blick nehmen.

Israelfeindliche Aggressionen in den vergangenen Tagen hätten gezeigt, dass bei einem Teil der arabischstämmigen Bevölkerungsgruppe leicht antisemitische Grundhaltungen aktiviert werden könnten. Das gelte auch für einen Teil der Anhänger von Präsident Recep Tayyip Erdogan innerhalb der türkischstämmigen Community. In Deutschland lebten etwa 24 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, teilweise seit Jahrzehnten, und viele seien bereits hier geboren.

Politiker wollen härtere Strafen

CSU-Chef Markus Söder forderte in der „Augsburger Allgemeinen“ bei antisemitischen Vorfällen die Möglichkeit, auch Straftäter mit doppelter Staatsangehörigkeit abzuschieben und ihnen den deutschen Pass abzunehmen.

Die Bundestagsabgeordnete Serap Güler (CDU) ruft muslimische Verbände und die Politik auf, mehr zu tun gegen Juden- und Israelfeindlichkeit unter Muslimen in Deutschland. In der „Kölnischen Rundschau“ (Montag) forderte sie außerdem Verschärfungen im Versammlungsrecht nach israelfeindlichen Botschaften bei Demonstrationen am Wochenende. Die Deutsche Islamkonferenz sei weiterhin eine gute Plattform, um Forderungen an die Verbände zu stellen.

CDU-Chef Friedrich Merz fordert eine strengere Kontrolle muslimischer Verbände in Deutschland. Im „Bericht aus Berlin“ in der ARD warf er am Sonntag der Bundesregierung vor, nicht entschlossen zu handeln, obwohl viele Probleme schon lange bekannt seien.

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