Stockholm/Berlin (KNA) Die ungarisch-amerikanische Neurowissenschaftlerin Katalin Kariko (68) und der US-Immunologe Drew Weissman (64) erhalten in diesem Jahr den Nobelpreis für Medizin. Sie hätten mit ihren grundlegenden Arbeiten zu sogenannten mRNA-Impfstoffen entscheidend zur Entwicklung von Corona-Impfstoffen beigetragen, so die Jury am Montag in Stockholm. Die mRNA liefert in Zellen Informationen aus: Sie enthalten den Bauplan für Proteine.
„Durch ihre bahnbrechenden Resultate trugen die Preisträger zu dem beispiellosen Tempo der Impfstoffentwicklung während einer der größten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit in moderner Zeit bei“, hieß es vom Nobelkomitee.
60 Jahren intensive Forschungsarbeit
In einem kurz vor der Bekanntgabe geführten Interview mit dem „Deutschen Ärzteblatt“ erklärte Kariko, für die Entwicklung der mRNA-basierten COVID-19-Impfstoffe habe es einen sehr langen Vorlauf mit etwa 60 Jahren intensiver Forschungsarbeit gegeben. Forschende an der Harvard University in Boston waren ihren Angabe zufolge 1984 erstmals in der Lage, RNA im Labor herzustellen. Vor circa 10 Jahren nutzten Wissenschaftler die mRNA-Technologie erstmals für einen Tollwutimpfstoff.
Kariko verwies darauf, dass nicht nur Viren im Fokus der mRNA-Impfstoffforschung stehen. So sollen Untersuchungen zu Impfungen gegen Tuberkulose und Malaria starten. In präklinischen Studien, im Tiermodell, würden Impfstoffe gegen Borrelien, die die Lyme-Erkrankung hervorrufen, oder gegen Yersinia pestis, den Pesterreger, erforscht – mit vielversprechenden Ergebnissen.
Mehrfach ausgezeichnet
Weissman ist Professor an der University of Pennsylvania. Kariko ist seit 2021 Professorin an der Universität Szeged in Ungarn sowie außerplanmäßige Professorin für Neurochirurgie an der US-University of Pennsylvania. Für ihre wissenschaftlichen Leistungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2022 mit der Benjamin Franklin Medal in Life Science sowie mit dem Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis der Paul-Ehrlich-Stiftung. 2021 wurde sie gemeinsam mit Ugur Sahin, Özlem Türeci und Christoph Huber mit dem Deutschen Zukunftspreis geehrt. Seit 2022 ist Kariko Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Deren Präsident Gerald Haug würdigte am Montag ihre bahnbrechende Forschungsarbeit.
Wie der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) in Deutschland mitteilte, sind derzeit weitere mRNA-Impfstoffe gegen rund 25 Infektionskrankheiten in der Entwicklung, darunter Borreliose, das tropische Zikafieber, die Grippe und Infektionen mit dem Epstein-Barr-Virus, auch als Pfeiffersches Drüsenfieber bekannt.
Krebstherapie verbessern
Mit weiteren mRNA-Impfstoffen, die Unternehmen gerade in klinischen Studien erproben, soll die Krebstherapie verbessert werden, etwa für Patientinnen und Patienten mit Melanom, Lungenkrebs (NSCLC) oder Prostatakrebs. Einige dieser Impfstoffe würden für die Patientinnen und Patienten individuell zusammengesetzt. „Sie sollen dem Immunsystem zeigen, woran es die Krebszellen erkennen kann, die es gezielt zerstören soll“, so der Pharma-Verband.
Nach seiner Darstellung ist zu erwarten, dass die Bedeutung von mRNA-Impfstoffen und anderen mRNA-basierten Medikamenten schon in den kommenden Jahren weit über Covid-19 hinauswächst. Der vfa verwies darauf, dass Unternehmen in Deutschland einen großen Beitrag zur Entwicklung des weltweit ersten mRNA-Impfstoffs geleistet hätten. Heute arbeiteten hierzulande zahlreiche Unternehmen und Forschungsinstitute an neuen mRNA-Impfstoffen, darunter BioNTech, CureVac, das Konsortium „TEL-Drug-Delivery“ und das Konsortium „RNAuto“.