Jesus-Latschen für die Wall Street

VonC. Peters

22. September 2023

Bonn (KNA)Es gibt den „Jesus Shoe“ – einen Sneaker, dessen durchsichtige Sohle mit Weihwasser aus dem Jordan gefüllt ist. Es gibt Benediktiner-Sandalen, Modell Nazareth oder Modell Bethlehem, hergestellt in Handarbeit von französischen Mönchen. Und es gibt – immer noch – Römer-Sandalen, die in der DDR als Jesus-Latschen Kultstatus genossen und Unangepasstheit symbolisierten.

Schuhwerk im biblischen Design findet nach wie vor Liebhaber. Im Filmklassiker „Das Leben des Brian“ wird eine abgehalfterte Sandale gar als Zeichen des Messias verulkt. Doch keine Jesus-Latsche hat es so weit gebracht wie die bequemen, aber lange verspotteten Sandalen der Firma Birkenstock. Deren Beliebtheit geht gerade durch die Decke.

Birkis von Steve Jobs bis Barbie

Nicht nur, dass im vergangenen November ein Bieter im amerikanischen Auktionshaus Julien’s 218.750 Dollar (umgerechnet etwa 210.000 Euro) für die ausgelatschten Birkis von Apple-Mitgründer Steve Jobs – einem Messias der Tech-Branche sozusagen – auf den Tisch legte. Für einen neuen Hype sorgt auch der Barbie-Film: Denn Barbie entscheidet sich zum Ende des Blockbusters, statt High Heels Gesundheitsschuhe zu tragen – und zwar das Modell Arizona in der Farbe Light Rose von Birkenstock.

Perfektes Timing: Denn der Film kommt just zu der Zeit, in der der Schuhhersteller aus Linz am Rhein in den USA an die Börse gehen will. Das könnte noch im September sein, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Sei bisher von einem Börsenwert von rund sechs Milliarden Dollar die Rede gewesen, könnten jetzt sogar acht Milliarden drin sein.

„Schuh für Fußkranke“

Birkenstock-Sandalen galten jahrelang zwar als gesund, aber auch als absolut uncool. Der „Schuh für Fußkranke“ war etwas für Ökos, Studienräte, Theologen, Sozialarbeiter und Latzhosenträger. Spötter sprachen von Jesus-Latschen oder Ökotretern. Seit ein paar Jahren ist alles anders. An den Füßen von Promis und auf den Laufstegen der Modewelt haben die Schlappen mit dem Kork-Latex-Fußbett ihren internationalen Siegeszug angetreten. Heidi Klum und Julia Roberts tragen sie, Gwyneth Paltrow und Wolfgang Joop ebenfalls. Jesus-Latschen als der letzte Schrei.

Der Weg der Birkenstocks zur hippen Mode-Ikone und zum Global Player war lang und mühselig. Firmengründer Johann Adam Birkenstock wurde 1774 – vor bald 250 Jahren – in das Kirchenregister von Langenberg in Hessen als Schuhmacher eingetragen. 1896 schuf sein Nachfahre Konrad die erste Schuheinlage mit Fußbett. In den 50er Jahren begann unter Karl Birkenstock die Entwicklung der berühmten Sandale, die sich durch ihr dem Fuß nachgebildetes Fußbett und die vorn sehr breite Form auszeichnet, die den Zehen Bewegungsfreiheit lässt. 2021 wurde die Kultmarke mehrheitlich vom Finanzinvestor L-Catterton übernommen. Das Management peilt „auf Sicht 50 Millionen Paar Schuhe pro Jahr an, fast doppelt so viele wie heute“.

Sandalen in der Antike Standard

Bleibt die Frage, ob die Rede von den Jesus-Latschen einen historischen Kern hat. Sandalen finden sich schon in den Zeichnungen der alten Ägypter und Griechen. Die jüdische Mythologie erzählt von Judith, die den General Holofernes mit ihren sandalierten Füßen so betörte, dass sie ihm den Kopf abschlagen konnte.

In der Antike hätten die Menschen generell Schuhe getragen, die man heute Sandalen nennen würde, sagt die Archäologin Ursula Rothe. Nach dem Ende des Römischen Reichs gerieten sie allerdings weithin in Vergessenheit. Erst um 1800 fand das Schuhwerk als modisches Accessoire auch wieder Füße. Die damals kreierten Freiheitssymbole Frankreichs und der USA, Marianne und Columbia, tragen – in Erinnerung an antike Göttinnen – Sandalen.

Ordensleute blieben Sandalenträger

Einzig in kirchlichen Orden blieben Sandalen über die Jahrhunderte ein Thema: Die Frage, ob man mit geschlossenen Schuhen, Sandalen oder einzig barfuß unterwegs sein durfte, war bei Mönchen und Nonnen fast eine Glaubensfrage. Schließlich hatte Jesus seine Jünger aufgefordert, auf Reisen weder Vorräte noch Geld, Wanderstäbe oder Schuhe mitzunehmen.

Der heilige Franziskus wird meist barfuß dargestellt. Der Verzicht auf geschlossenes Schuhwerk unterschied die asketischen Franziskaner – auch Barfüßer genannt – im Mittelalter deutlich von den etablierten Orden. Auch bei den „Unbeschuhten Karmelitinnen“ und „Unbeschuhten Karmeliten“ wurden Barfußgehen und das Tragen von Sandalen auf der einen und das Tragen geschlossener Schuhe auf der anderen Seite zum Unterscheidungskriterium zwischen einem asketischen und einem nicht-reformierten Ordenszweig.

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