Berlin (KNA)Grundlegende Reformen in der Pflege in Deutschland fordert der Deutsche Pflegerat. Die Bundesregierung habe bislang nicht genug getan, um die Pflege in der alternden Gesellschaft zukunftssicher zu machen, sagte Präsidentin Christine Vogler am Donnerstag in Berlin zum Auftakt des Deutschen Pflegetages. Erwartet werden dort bis Freitag insgesamt 7.000 Besucher aus der gesamten Pflegebranche.
Mit Blick auf die schon bestehenden Personallücken forderte Vogler verstärkte Anstrengungen bei der Gewinnung von Fachkräften. „Wir müssen das Potenzial der beruflich Pflegenden nutzen“, betonte sie. „Die gesellschaftliche Haltung zum Thema Pflege muss sich entscheidend ändern.“
Attraktiveres Berufsbild
Konkret nannte Vogler vier Maßnahmen für ein attraktiveres Berufsbild. So müssten Pflegekräften mehr Befugnisse übertragen werden. Sie sollten selbstständiger und stärker eigenverantwortlich arbeiten können, indem sie beispielsweise impfen, Heil- und Hilfsmittel sowie bestimmte Medikamente bei Erkältungen und Schmerzen verschreiben können. Darüber hinaus sollten neue Berufsbilder eingeführt werden, etwa die Community Health Nurse in Stadtteilen und Dörfern oder die Schulgesundheitspflege.
Die Pflegeratschefin sprach sich außerdem für „durchlässige und bundesweit gültige Pflegebildungsstrukturen“ aus. Pflegekräfte benötigten Fortbildung und Karrieremöglichkeiten – von der Pflegefachassistenz bis zur Professur.
Stärkere Mitbestimmungsmöglichkeiten
Für die rund 1,7 Millionen beruflich Pflegenden forderte Vogler stärkere Mitbestimmungsmöglichkeiten in Politik und Gesundheitswesen. Es brauche Selbstverwaltungsstrukturen im Bund und in allen Ländern in Form von Pflegekammern. Auch müssten sich die Arbeitsbedingungen umfassend verbessern. Der Deutsche Pflegerat fordert deswegen unter anderem 4.500 Euro Einstiegsgehalt, eine Entbürokratisierung der Arbeit und verbindliche Personalbemessungsgrenzen. „Durch eine solche Verbesserung der Arbeitsbedingungen lassen sich Berufsrückkehrerinnen und -rückkehrer gewinnen und Teilzeitbeschäftigte überzeugen, ihre Stundenzahl auszuweiten“, sagte Vogler.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz appellierte an die Vertreter der Pflegekräfte, die Nöte der pflegebedürftigen Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. „Die Akademisierung mag ein wichtiges Vorhaben sein, löst aber nicht die akute Not der fehlenden Pflege am Bett“, erklärte Vorstand Eugen Brysch. „Hier gilt es, insbesondere auch Pflegeassistenzkräfte zu gewinnen und zu stützen, die den Großteil der Beschäftigten ausmachen.“
Weiter hohe Belastung
Unterdessen ergab eine Umfrage der Krankenkasse Barmer, dass die berufliche Belastung vieler Pflegekräfte auch nach der Corona-Pandemie überdurchschnittlich hoch bleibe. Demnach sind rund 62 Prozent der Pflegenden regelmäßig körperlich erschöpft. Vor der Pandemie waren es 43 Prozent. Die emotionale Erschöpfung liegt aktuell bei 52 Prozent, während vor der Pandemie ein Wert von 34 Prozent gemessen wurde. Dennoch sind etwa 60 Prozent der Pflegekräfte mit ihren Berufsperspektiven zufrieden oder sehr zufrieden. Während des Lockdowns im Jahr 2022 waren es rund 36 Prozent.