Siegburg (KNA)Wolfgang Overath hat sich für Freitag vorsorglich schon mal abgemeldet. Dann wird die Fußballlegende aus dem Rheinland 80 Jahre alt. Den 50. hatte er mit 500 Gästen groß gefeiert. Sein früherer Zimmerkamerad Franz Beckenbauer gehörte dazu, der ewige Rivale und gute Freund Günter Netzer sowie Uwe Seeler und Fritz Walter. „Ich habe zwei Stunden die Hand gegeben.“ Das müsse reichen. „Mit 60 bin ich abgehauen, mit 70 – und mit 80 haue ich ganz bestimmt ab!“
Wer ihn kennt, weiß, dass Overath Wort halten wird. Gradlinig, keine krummen Dinger: So ist das heute und so war das früher – auf dem Platz und außerhalb. Am 24. August 1963 schoss der damals 19-Jährige Linksfuß im Saarbrücker Ludwigsparkstadion am allerersten Spieltag der Bundesliga nach 22 Minuten das erste Tor für seinen FC. Bewegte Aufnahmen gibt es keine mehr. Egal: Der Mittelfeldstratege mit der Trikotnummer 10 hat genügend Bilder für die Ewigkeit produziert.
Köln wurde Meister
Zum Beispiel knapp zwei Monate später sein Volleyschuss aus vollem Lauf nach Flanke von Hansi Sturm zum 1:0 gegen den MSV Duisburg. Nicht zuletzt dank Overath holte Köln nach der ersten Saison die Meisterschaft. In der Nationalmannschaft debütierte er 1963 unter Sepp Herberger, der bereits 1954 beim „Wunder von Bern“, dem ersten WM-Titel für die Deutschen, auf der Trainerbank saß.
1966, 1970 und 1974 war er bei allen 19 WM-Spielen dabei und erlebte Fußballgeschichte: 1966 mit dem Wembley-Tor beim verlorenen Finale gegen Gastgeber England. 1970 beim „Jahrhundertspiel“ in Mexiko, als die deutsche Elf in einem furiosen Halbfinale gegen Italien mit 3:4 nach Verlängerung knapp den Kürzeren zog. Und dann natürlich am 7. Juli 1974 beim gewonnenen Finale gegen die Niederlande um Superstar Johan Cruyff. Besser ging nicht. Overath trat zurück.
Vom Spieler zum FC-Präsident
Für den FC lief er bis 1977 auf, auch wenn ihm Trainer Hennes Weisweiler auf der Zielgeraden den Spaß am Fußball kurzzeitig verdarb. Seinem Club blieb er verbunden, amtierte zwischen 2004 und 2011 als Präsident. Er hatte sich nie in dieses Amt gedrängt, gab gleichwohl – Overath eben – vom ersten Tag an Vollgas. Trotzdem fiel die Bilanz durchwachsen aus. Das Trainerkarussell drehte sich, der Verein kam aus den Miesen nicht heraus. Aber: Overath legte den Grundstein für den Publikumsmagnet FC. Die Zahl der Mitglieder stieg nach seinem Amtsantritt von 12.000 auf 55.000.
Mit Gattin Karin ist Overath seit 57 Jahren verheiratet. Sie sorgte seinerzeit mit dafür, dass er seine Profikarriere nicht in den USA ausklingen ließ. Von Dieter Kürten wenig später im ZDF-Sportstudio gefragt, ob er das bedauere, verneinte Overath und fügte hinzu: „Ich selbst bin auch Rheinländer, und ich bin auch etwas bodenständig, und ich hänge sehr an meiner Familie.“ Die bestand damals aus den beiden Söhnen Marco und Sascha. Später sollte Adoptivtochter Silvana aus Brasilien hinzukommen.
Immobiliengeschäfte und soziales Engagement
Sein Geld legte Overath in Immobilien an; noch heute ist er in diesem Bereich aktiv. „In erster Linie sorge ich dafür, dass es meinen Kindern später gut geht“, vertraute er Sportmoderator Sven Pistor in dem soeben erschienenen Interviewband „Alleine kannst du nicht gewinnen“ an. Er selbst, Jahrgang 1943, bekam als jüngstes von acht Geschwistern die Folgen des Zweiten Weltkrieges zu spüren. Der älteste Bruder Heinz: gefallen an der Ostfront. Ein weiterer Bruder, Dieter: kurz vor Kriegsende vor den Augen der Eltern erschossen. Eine Schwester, Margarethe: mit einem Jahr gestorben.
Dazu immer wieder finanzielle Engpässe. Overath weiß, wie es sich anfühlt, wenn es mal nicht rund läuft. Seit Jahren engagiert er sich deshalb für sozial Benachteiligte. Daneben bleibt immer noch Zeit für eine gepflegte Partie Fußball. Er spiele fast immer so lange, bis seine Mannschaft gewonnen habe, gestand Overath dem „Express“. „Wenn wir vorne liegen, sage ich oft: ‚So, Schluss jetzt.'“
Eine besondere Beziehung unterhält der Katholik zu „dem da oben“. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) verriet er einen ganz persönlichen Geburtstagswunsch: „Ich fände es natürlich prima, wenn er mit mir zufrieden wäre und sagen würde: ‚Wolfgang, Du hast nicht alles falsch gemacht.'“