In einer fesselnden Auseinandersetzung mit der Frage nach Mord, Unfall oder Suizid zieht der Justizthriller «Anatomie eines Falls» von Justine Triet die Aufmerksamkeit auf sich. Bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises am Samstagabend in Berlin räumte der Film gleich in fünf Kategorien ab. «Anatomie eines Falls» wurde als bester europäischer Film des Jahres ausgezeichnet, während auch die Regie, das Drehbuch und der Schnitt mit Trophäen gewürdigt wurden.
Der Film handelt von der Schriftstellerin Sandra, die mit ihrem Mann Samuel und dem fast blinden Sohn Daniel in den französischen Alpen lebt. Als Samuel tot vor dem Chalet gefunden wird, beginnt eine komplexe Untersuchung, ob es sich um einen Mord, Unfall oder Suizid handelt. Sandra sieht sich bald dem Verdacht ausgesetzt, ihren Mann getötet zu haben, und muss sich vor Gericht verantworten.
Der Film stellt nicht nur die Konflikte der Protagonistin dar, sondern hält auch das Publikum in permanentem Zweifel über die Schuld oder Unschuld der Hauptfigur. Sandra Hüller verkörpert dabei eine undurchsichtige Frau, die die Zuschauer bis zum Schluss im Dunkeln über ihre Beweggründe lässt.
Sandra Hüller als beste Darstellerin
Die deutsche Schauspielerin Sandra Hüller (45), die die Hauptrolle in «Anatomie eines Falls» verkörpert, zählte zu den großen Gewinnerinnen des Abends. Sie erhielt den Preis als beste Darstellerin und unterstrich damit ihre herausragende schauspielerische Leistung. In ihrer emotionalen Dankesrede rief sie das Publikum zu Schweigeminuten für den Weltfrieden auf. Hüller setzte sich dabei in der Kategorie gegen namhafte Konkurrentinnen wie Leonie Benesch («Das Lehrerzimmer») und die Finnin Alma Pöysti durch.
Mads Mikkelsen als Bester Darsteller und weitere Ehrungen
Die Mitglieder der Europäischen Filmakademie kürten den dänischen Schauspieler Mads Mikkelsen zum besten europäischen Darsteller für seine Rolle in «Bastarden». Der 58-Jährige bedankte sich per Video für diese Auszeichnung.
Der Dokumentarfilm «Smoke Sauna Sisterhood», der das Leben mehrerer Frauen in einer Rauchsauna in Estland porträtiert, wurde als bester Dokumentarfilm prämiert. Statt einer traditionellen Dankesrede entschied sich Regisseurin Anna Hints für ein Lied, das sie nach der Entgegennahme des Preises in Berlin performte.
Die britische Schauspielerin Vanessa Redgrave («Blow Up») erhielt eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk, während der ungarische Filmregisseur Béla Tarr («Sátántangó») einen Ehrenpreis des Präsidenten und des Vorstands der Akademie erhielt. Die spanische Regisseurin Isabel Coixet («Das geheime Leben der Worte») wurde für ihre Verdienste um das Weltkino geehrt.
Ausblick auf die Oscars
Der Europäische Filmpreis gilt als eine der bedeutendsten Auszeichnungen der Filmbranche. Die rund 4600 Mitglieder der Filmakademie haben in verschiedenen Kategorien über die Preisträger abgestimmt. Bereits im vergangenen Jahr wurde die Satire «Triangle of Sadness» als bester europäischer Film prämiert. Die diesjährige Verleihung in Berlin bot nicht nur packende Momente und verdiente Gewinner, sondern lieferte auch einen vielversprechenden Ausblick auf mögliche zukünftige Erfolge beim Oscar-Rennen.
Der Sieg bei den Filmfestspielen in Cannes und die Erfolge beim Europäischen Filmpreis lassen «Anatomie eines Falls» als ernstzunehmenden Oscar-Kandidaten erscheinen. Das Team, insbesondere Hauptdarstellerin Sandra Hüller, wird als potenzielle Oscar-Gewinner gehandelt. Das Branchenmagazin «The Hollywood Reporter» wagte bereits im September die Frage: «Sandra Hüller, Schauspielerin des Jahres?»
Quelle: Mit Material der dpa.