Forscher: Europa hat in Migrationspolitik nichts dazugelernt

VonC. Peters

22. September 2023

Hamburg (KNA)In der Migrationspolitik hat Europa nach Einschätzung eines Experten keine Fortschritte gemacht. „Heute kommen und sterben im Mittelmeer mehr, nicht weniger Menschen als in den letzten Jahren. Berlin sollte sich für einen Politikwechsel einsetzen“, sagte der Migrationsforscher Gerald Knaus im Interview des „Spiegel“ (Samstag). Forderungen, in Deutschland Grenzen zu überwachen, hält er für nicht praktikabel. Stattdessen müsse es um Kontrollen an der EU-Außengrenze gehen.

„Wir brauchen zunächst Abkommen mit Ländern zur schnellen Rücknahme nach Stichtagen, die im Interesse dieser Länder sind. Grenzverfahren ohne Abkommen sind sinnlos“, fügte er hinzu. An den Außengrenzen stehe der Rechtsstaat auf dem Spiel, dazu stürben Tausende. „Und der Koalitionsvertrag der Ampelregierung beschreibt sogar eine überzeugende Strategie, was zu tun wäre.“

Seenotrettung und Ziel „Null Tote“

Die Ampel verspreche, „irreguläre Migration ohne illegales Zurückweisen oder Pushbacks zu reduzieren. Das geht nur durch einen Zweiklang von Seenotrettung und einer Politik, die Menschen ohne Gewalt davon abhält, in Boote zu steigen.“ Dafür sei es höchste Zeit.

„Es gibt ein Recht auf Asyl, aber nicht auf Migration. Das hat auch das UN-Flüchtlingshilfswerk oft festgehalten“, betonte Knaus. Es bringe seit 2019 Menschen aus Libyen nach Ruanda und führe dort Asylverfahren durch. „Ein humanes System wäre eines mit mehr Seenotrettung und dem Ziel ‚Null Tote‘, ohne Rückführungen nach Libyen, Asylverfahren in wirklich sicheren Drittstaaten und dem Ausbau der legalen Aufnahme.“

Angst und Vorurteile zerstörten Empathie

Knaus nannte es verantwortungslos, wenn über angeblich Hunderte Millionen Klimaflüchtlinge gesprochen werde, die in Kürze kommen würden. Auch sei eine häufig zitierte UNHCR-Zahl von 100 Millionen Vertriebenen irreführend. „Weil darin viele Millionen gezählt werden, die vor Jahrzehnten geflohen sind. Weil die Mehrheit davon nie eine Grenze überschritten hat. Weil die allermeisten, die wegen des Klimawandels ihr Zuhause verlassen müssen, in ihren Ländern oder Regionen bleiben werden.“

Der Forscher wandte sich gegen einen Diskurs, „der irrationale Ängste schürt“. Angst und Vorurteile zerstörten Empathie. „Rassisten nützen das aus. Um Empathie zu erhalten, müssen Mehrheiten das Gefühl haben, dass es Kontrolle gibt, und verstehen, warum Menschen fliehen. Für die Politik ist daher humane Kontrolle der Weg, die Narrative von Rechtsextremisten zu kontern.“

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