Aufruf: Rechtzeitig um Pflegebedürftigkeit kümmern

VonC. Peters

20. September 2023

Mainz/Köln (KNA)Fachleute rufen zu einer frühzeitigen Auseinandersetzung mit Pflegebedürftigkeit auf. Dies betreffe sowohl die Einzelnen als auch die Politik, sagte die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, am Mittwochabend bei 3sat. „Man müsste viel ausführlicher mit den eigenen Eltern darüber sprechen“, viele Menschen verdrängten das Thema jedoch. Sinnvoll wäre indes, es „früher ins Leben zu holen“, sich auch etwa über informelle Netzwerke für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen zu informieren.

Der Seniorenberater Christoph Lehmann riet dazu, rechtzeitig einen Antrag auf einen Pflegegrad zu stellen. Er äußerte sich bei einer Veranstaltung des Kölner Caritasverbandes. Spätestens sei dies sinnvoll, wenn jemand Unterstützung bei der Körperpflege benötige. „Pflegebedürftigkeit bedeutet nicht zwangsläufig, bettlägerig zu sein. Viele Betroffene wohnen noch allein“, erklärte Lehmann. Eine Pflegebedürftigkeit könne sich schleichend entwickeln oder auch schlagartig eintreffen, etwa als Folge eines Unfalls.

Anspruch auf einen monatlichen Entlastungsbetrag

Ab dem Pflegegrad 1 hätten Betroffene Anspruch auf einen monatlichen Entlastungsbetrag. Auch ein Zuschuss zu Hausnotrufgeräten sei möglich, und vielfach könnten Angehörige schon vor der erfolgten Einstufung für eine zehntägige Pflegezeit mit Lohnfortzahlung von ihrer Arbeit freigestellt werden. „Entscheidend ist, dass Belastungen nicht selbstständig kompensiert und bewältigt werden können, für voraussichtlich mindestens sechs Monate“, erklärte der Experte. Dies könne auch bei Erkrankungen wie Depression oder Demenz der Fall sein.

Auch für die Politik seien die Rahmenbedingungen beim Thema Pflege herausfordernd, sagte Buyx. Der demografische Wandel und der Mangel an Fachkräften führten zu hoher Belastung, sowohl bei Profis als auch in der häuslichen Pflege durch Angehörige. „Das greift alles ineinander.“ Daher brauche es einen Bewusstseinswandel. Einrichtungen und Träger seien gefragt, den Beruf attraktiver zu machen.

Offen für Lösungsideen bleiben

Dies erfordere finanzielle Mittel. Zugleich sei bekannt, dass Pflegekräfte unter moralischer Belastung litten, wenn sie ihrer Arbeit nicht angemessen nachgehen könnten. Hinzu kämen Arbeitsverdichtung und körperliche Anstrengung. Die Medizinethikerin rief dazu auf, offen für Lösungsideen zu bleiben. So ließen sich manche Aufgaben – wie die aufwändige Dokumentation einzelner Tätigkeiten – auch technisch lösen, etwa durch den Einsatz von Robotern. Auch von anderen Ländern, in denen es inzwischen mitunter Pflege-Studiengänge gebe, lasse sich lernen.

Die meisten Menschen wünschten sich, so lange wie möglich selbstständig zu bleiben – und, wenn dies nicht mehr gehe, eine gute Versorgung zu bekommen. „Das wird teuer“, unterstrich die Expertin. Und: „Wenn wir alle so alt werden, wie im Moment die Prognosen sind, dann werden sehr viele von uns pflegebedürftig werden.“ Trotz der zahlreichen gegenwärtigen Krisen müsse die Gesellschaft dieses Thema angehen.

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