Erschöpfung durch fehlende Sozialkontakte

VonC. Peters

12. September 2023

Weinheim (KNA)Die Gründe für chronische Erschöpfung liegen oft nicht allein in einer zu hohen Arbeitsbelastung: Das betont die Ärztin und Burnout-Expertin Mirriam Prieß. Erschöpfung sei vielmehr „das Ergebnis gestörter Beziehungen“, sagte sie im Interview der Zeitschrift „Psychologie Heute“ (Oktober-Ausgabe). Betroffene von Burnout beklagten fast immer, keine „nährenden sozialen Kontakte“ mehr zu haben, im Job oder in ihrer Familie „nur noch zu funktionieren und in ihrem eigenen Leben nicht mehr vorzukommen“.

Vielfach seien diese Menschen in einer Art „Kampfmodus“ gefangen, erklärte Prieß: Sie versuchten etwa, die Wertschätzung des Chefs zu ertrotzen oder in einem Studienfach durchzuhalten, das nicht zu ihnen passe. „Sie verlieren ihre Kraft im Dauerwiderstand gegen eine Situation, eine Person oder gegen sich selbst.“

Gleichgewicht „zwischen Ich, Du und Wir“

Entscheidend sei ein Gleichgewicht „zwischen Ich, Du und Wir“, betonte die Medizinerin. Es brauche Respekt, Wertschätzung und Interesse an der eigenen Person. Sinnvoller als dauerhafter Widerstand sei es, zu schauen, was man bestmöglich aus der Situation machen könne: Wenn etwa eine Arbeitsbeziehung sich nicht so gestalten lasse, „dass ich zu einem Drittel mit meinen Interessen darin vorkomme, kann es angebracht sein, zu gehen“.

Ratsam sei in derartigen Krisen zudem, sich selbst zu fragen, welche Überzeugungen dazu führten, dass man aussichtslose Kämpfe führe und über die eigenen Grenzen gehe. Ein Grund liege oft darin, dass Betroffene im Kindesalter keine gesunde Selbstliebe gelernt hätten, die sich laut Prieß wie folgt zusammenfassen lässt: „Es ist nicht alles gut, was ich mache, aber ich bin gut.“ Zugleich sei es jederzeit möglich, „Interesse zu lernen für uns selbst und die anderen“.

Änderungen brauche es indes auch in der Arbeitskultur, mahnte die Expertin. „Ein System, das Menschen nur auf ihre Funktion reduziert und ausnimmt, erschöpft sich auch selbst über kurz oder lang.“ Die massive Erschöpfung, die sich momentan in der Gesellschaft zeige, sei die Folge einer „langjährigen kollektiven Illusion der Grenzenlosigkeit und des Superlativs“.

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