AfD-Pleite: Doch kein Oberbürgermeister

VonC. Peters

25. September 2023

Berlin/Nordhausen (KNA)Nach der Oberbürgermeister-Stichwahl im thüringischen Nordhausen haben Vertreter aus Politik, Opfer-Organisationen und Gedenkstätten die Niederlage des AfD-Kandidaten begrüßt. „Erleichterung ist angebracht, eine Entwarnung nicht“, erklärte der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland, Mehmet Daimagüler, am Montag. „Unsere Demokratie und die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen stehen weiterhin unter Druck“, sagte er mit Blick auf das nahegelegene ehemalige Konzentrationslager Buchenwald. Unter den 60.000 Verschleppten im KZ Dora und dem Lagerkomplex Mittelbau seien Jüdinnen und Juden sowie auch zahlreiche Sinti und Roma gewesen, die dort Zwangsarbeit für die Rüstungsindustrie leisten mussten.

Bei der Stichwahl wurde Oberbürgermeister Kai Buchmann (parteilos) mit rund 55 Prozent der Stimmen überraschend wiedergewählt, auf Jörg Prophet (AfD), der zuvor die meisten Stimmen erhalten hatte, entfielen etwa 45 Prozent. Hätte er gewonnen, wäre es das erste Mal gewesen, dass die AfD einen Oberbürgermeister gestellt hätte.

Demokratie gestärkt

Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, erklärte: „Überlebende des Holocaust und ehemalige Häftlinge des Naziregimes sind sehr dankbar, dass eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in Nordhausen die Demokratie gestärkt und dem rechtsextremen Kandidaten und seiner Partei eine Abfuhr erteilt haben.“ Dass in Nordhausen kein Verwandter der NS-Ideologie zum Oberbürgermeister gewählt wurde, sei eine „ermutigende Erleichterung“, so Heubner unter Verweis auf den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur (Montag).

Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erklärte, die Wiederwahl Buchmanns mache „eine Fortsetzung der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Stiftung und Stadt Nordhausen möglich“. Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner: „Die Nordhäuserinnen und Nordhäuser haben sich am Sonntag in ihrer Mehrheit für eine weltoffene, vielfältige Stadt entschieden, die sich ihrer historischen Verantwortung bewusst ist.“ Gleichwohl zeigten „die vielen Stimmen für den offen geschichtsrevisionistisch auftretenden AfD-Kandidaten, dass die aufgeklärte Erinnerungskultur als Grundkonsens unserer Demokratie akut gefährdet ist“, mahnte Wagner.

Erstarken der AfD „eine Katastrophe“

Für die Gedenkstätten in Thüringen und ganz Deutschland sei das Erstarken der AfD „eine Katastrophe“, erklärte der Antiziganismus-Beauftragte Dalmagüler. „Seit einiger Zeit berichten sie von einer Zunahme von Angriffen. Dieses gesellschaftliche Klima wird von der AfD angeheizt, die auch nicht vor offenem Antiziganismus zurückschreckt.“ Die Partei habe mehrfach die staatliche Erfassung von Sinti und Roma gefordert und damit schlimmste Erinnerungen an Erfassung und Verfolgung im Nationalsozialismus ausgelöst. „Die AfD ist eine Bedrohung für das Leben von Sinti und Roma in Deutschland.“ Erforderlich seien eine starke Zivilgesellschaft sowie Demokratieförder-Programme überall, „wo Rechtsradikale lokale Machtpositionen innehaben“, so der FDP-Politiker.

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