Bonn/Paris (KNA)Einige der unvergesslichsten und albernsten Rasereien der Filmgeschichte waren Enten-Fahrten. Man denke an die Verfolgungsjagd von Roger Moore in „007 – In tödlicher Mission“ (For Your Eyes Only, 1981). Oder an die Nonne Soeur Clotilde, die in Louis de Funes‘ letztem Film „Louis und seine verrückten Politessen“ (1982) ihren 2 CV bei ihrer Überlandjagd systematisch zu einer Viertel-Ente tranchierte und nur noch mit Vorderbank und Motor vor der Gendarmerie von Saint-Tropez eintraf.
„Soeur Clotilde“ und ihre schaukelnde Ente hatten gleich mehrere rasante Auftritte in den Gendarmenfilmen; erstmals, als sie 1964 als Führscheinneuling den Gendarm Ludovic Cruchot zum Schwitzen und Beten brachte („Der Herr ist unser Hirte“). Später stiegen gleich fünf Polizisten zu zwei Nonnen ins Auto.
Tatsächlich ein Auto?
Ins „Auto“? Am Anfang wurde durchaus angezweifelt, dass es sich beim 2 CV tatsächlich um ein Auto handelt. Die Wochenzeitschrift „Canard Enchaine“ verspottete die Neuvorstellung als „Konservendose für vier Sardinen“, als der Citroën 2 CV vor 75 Jahren, am 7. Oktober 1948, beim Automobilsalon in Paris der Öffentlichkeit präsentiert wurde. 75 Jahre oder 657.500 Flugstunden hat die „Ente“ seither auf dem Buckel.
Die Entwicklung des Kleinstwagens begann bereits Mitte der 30er Jahre, lag jedoch im Krieg auf Eis. Der Auftrag an Konstrukteur Andre Lefebvre lautete angeblich: „Bauen Sie ein billiges, gut gefedertes Auto, in dem zwei Bauern mit Stiefeln, ein Zentner Kartoffeln oder ein kleines Fass Wein Platz haben; das 60 Stundenkilometer fährt und dafür nur drei Liter Sprit braucht.“
Der Prototyp hieß „TPV“ („toute petite voiture“; ganz kleines Auto) und sah aus wie ein Wellblechhaufen mit einem aufgeschraubten, ziemlich verloren wirkenden Scheinwerfer. An diesem bewussten Nicht-Design wurde vor der Serienreife doch noch deutlich gefeilt. Dennoch stand die Fachwelt in Paris am Ende milde lächelnd vor dem fertigen Produkt. Dann aber übertraf die Zahl der Bestellungen alle Erwartungen! Weil Rohstoffe nach dem Krieg knapp waren, entstanden lange Wartelisten. Bauern und Gewerbetreibende wurden bevorzugt beliefert.
Der Name 2 CV („deux chevaux“; „zwei Pferde“) bezieht sich keineswegs auf die Pferdestärken, sondern auf die Kfz-Steuerklasse. Für den Zweizylindermotor mit 9 PS wurde nur ein doppelter Hebesatz (CV) fällig – während man für das Citroen-Spitzenmodell 15 CV („Gangsterlimousine“, „Traction Avant“) 15 Steuereinheiten zu entrichten hatte. In der Schweiz wurde der 2 CV „Döschwo“ genannt, in den Niederlanden und Deutschland bürgerte sich der Spitzname „Ente“ ein – von Hans Christian Andersens Märchen vom „hässlichen Entlein“.
Anfangs 29 PS
Der anfängliche 9-PS-Motor brachte das schwankende Gefährt bis auf 60 km/h; am Ende waren mit 29 PS bis zu 115 Sachen drin. In Deutschland war die „Ente“ freilich erst ab 1958 erhältlich – doch immerhin noch fünf Jahre vor dem Elysee-Vertrag zur Besiegelung der deutsch-französischen Freundschaft.
Wegen des extrem niedrigen Hubraums wurde sie in den 60er Jahren zu einem typischen Studentenauto; und das blieb sie bis zum Ende: unangepasst, anders – ein erschwingliches Statement. In den 80ern wurde die Ente in der Werbung gar (mit dem Philosophen Roland Barthes) zum modernen Äquivalent der großen gotischen Kathedralen stilisiert. Ein kurioses, aber später weit verbreitetes Spiel: Wer eine grüne Ente sah, durfte einen anderen kneifen und sich dabei etwas wünschen. Wer eine rote sah, durfte den anderen sogar küssen. Warum, wurde nie wirklich geklärt.
Politische Wende
Die politische Wende in Europa bedeutete dann irgendwie auch für die „Ente“ das Aus. In Frankreich war schon 1988 Schluss. Im Juli 1990 lief im portugiesischen Mangualde bei Viseu das letzte von knapp 3,9 Millionen Exemplaren vom Band. Mit dem Lieferwagen („Kastenente“) waren es am Ende 5,1 Millionen.
Im Straßenbild fliegt die Ente heute nur noch selten. Der in Deutschland zugelassene Bestand lag laut Kraftfahrt-Bundesamt zum 1. Januar 2023 bei nur noch 13.958; doch dürfte die Dunkelziffer in Garagen und Scheunen noch deutlich höher liegen. Und ungezählte Fan-Clubs, Vereine und Facebook-Gruppen wissen: Anders als bei echten Enten ist mit guten Ersatzteilen auch noch einiges zu machen.