Berlin (KNA)Alles wird teurer, bezahlbare Wohnungen sind schwer zu finden – und das macht den Deutschen Sorgen. Wie das „Infocenter“ der R+V Versicherung am Donnerstag in Berlin erklärte, liegt die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten laut aktueller Studie „Die Ängste der Deutschen“ auf Platz eins (65 Prozent), gefolgt von der Sorge um eine bezahlbare Wohnung (60 Prozent) und der Angst vor Steuererhöhungen (57 Prozent).
Das ist nichts Neues – die Angst, das Leben nicht mehr bezahlen zu können, liegt bereits zum 13. Mal auf dem ersten Platz. Neu ist aber, dass eine andere Sorge im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen ist: Dass der Staat durch Geflüchtete überfordert sein könnte. Dieser Wert legte um 11 Prozent zu auf 56 Prozent (2022: 45 Prozent) und liegt damit auf dem vierten Platz. Auch die Furcht vor Spannungen durch Zuzug ausländischer Menschen erhöhte sich demnach von 37 auf 47 Prozent.
Auffällig ist dabei, dass bisher laut Studie diese Angst vor Migration im Osten Deutschlands immer deutlich größer als im Westen gewesen ist. In diesem Jahr ist sie im Westen mit 56 Prozent erstmals größer als im Osten (54 Prozent). „Aus einer überwiegend ostdeutschen Sorge ist damit ein Thema geworden, das die Menschen überall in Deutschland gleichermaßen bewegt“, erklärte Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki. Dies habe auch mit den wirtschaftlichen Sorgen der Menschen zu tun: Der Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Migranten könne lebenswichtige Güter – wie bezahlbaren Wohnraum – weiter verknappen.
Sie wies auch daraufhin, dass trotz des Anstiegs der Wert immer noch zehn Prozentpunkte unter dem Höchstwert von 2016 liege – dem Jahr der großen Flüchtlingswelle.
Angst vor Spaltung der Gesellschaft
Die Arbeit der Politiker wurde mit einer Schulnote beurteilt, die ein wenig schlechter ausfiel als im vergangenen Jahr: statt 3,7 gab es eine 3,9. Dies sei „eine bedenkliche Entwicklung“ und signalisiere „drastisch sinkende Vertrauenswerte“, sagte Borucki. Dazu passt auch, dass jeder zweite Angst vor der Spaltung der Gesellschaft hat – eine Frage, die in diesem Jahr den Studienteilnehmern erstmals gestellt wurde.
„Abstumpfungseffekte“ beobachtet die Wissenschaftlerin bei der Angst vor einer deutschen Kriegsbeteiligung: Dieser sei nur unwesentlich gestiegen und liege mit 43 Prozent auf Platz 15 – bei einem ähnlichen Wert wie im vergangenen Jahr (42 Prozent). „Schließlich sind die Menschen tagtäglich mit schrecklichen Nachrichten konfrontiert“, so Borucki.
Angst vor Klimawandel
Die Angst vor dem Klimawandel liegt laut Studie auf Platz 10 der Ängste-Skala. Auch hier seien deutliche Unterschiede zwischen Ost und West festzustellen: Während diese Angst im Westen mit 49 Prozent den bisherigen Höchststand erreichte, hatte sie im Osten mit 40 Prozent die geringste Ausprägung. „Vielleicht weil der Klimawandel hier für viele weit weg ist“, erklärte Borucki. Mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten hätten vor allem die Menschen im Osten zu kämpfen.
Ganz anders die junge Generation: Für die bundesweit 14- bis 19-jährigen liegt die Angst vor dem Klimawandel auf dem ersten Platz ihrer Sorgen (54 Prozent).
„Angst-Index“ angestiegen
Die Langzeit-Studie „Die Ängste der Deutschen“ befasst sich seit mehr als 30 Jahren mit den Sorgen der Bevölkerung. Für die Studie werden jährlich im Sommer Menschen nach ihren persönlichen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Sorgen befragt. Aus einer Auswahl von rund 20 Themenfeldern konnten die Befragten ihre Sorgen und Ängste gewichten.
Daraus wurde ein „Angst-Index“ erstellt, der sich aus dem Mittel aller Gewichtungen berechnet und in diesem Jahr nach Angaben der Studien-Verfasser mit 45 Prozentpunkten erneut gestiegen ist (2022: 42 Prozentpunkte). Für Forscherin Borucki ein „Ausdruck der Hilflosigkeit“ – und eine Folge der vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Krisen.