Bonn (KNA)Für die Academia Cravatica in Zagreb liegt die Sache klar auf der Hand: Die Krawatte kommt aus Kroatien. Das Erkennungszeichen kroatischer Söldner, ein um den Hals geschlungenes Tuch, trat demnach ab dem 17. Jahrhundert seinen Siegeszug in Europa an. Vor allem in Frankreich soll das Stück Stoff für Furore gesorgt haben. Die französische Bezeichnung „cravate“ beziehungsweise der deutsche Begriff „Krawatte“ lassen das Wort „Kroatien“ erahnen.
Aber ganz so einfach ist es dann doch wieder nicht, wie Kuratorin Andrea Franzen vom Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich erläutert. Dort war 2014 eine große Ausstellung zur dem Thema zu sehen. „Unsere Recherchen haben damals ergeben, dass die Herkunft der Krawatte und ihre Bedeutung bis heute nicht eindeutig geklärt sind“, sagt Franzen.
Römische Legionäre als erste Trendsetter
Vorläufer der Krawatte sei einerseits der Kragen gewesen. „Der Schulterkreis meist aus feinem Leinen wurde durch Kordeln, oft mit aufwendig verzierten Quasten zusammengehalten.“ Denkbar sei also, dass sich die Krawatte aus der Verlängerung dieser Quasten entwickelt habe.
Andererseits könnten römischer Legionäre die ersten Trendsetter in Sachen Binder gewesen sein, gibt die Expertin zu bedenken. Die Soldaten hätten ein Tuch namens „Focale“ zum Schutz vor Kälte getragen. Militärische Kleidung und Mode hätten sich immer schon beeinflusst. Womit wir wieder bei den kroatischen Söldnern wären.
Merke: Die Geschichte der Krawatte ist mindestens ähnlich verschlungen wie ein korrekt ausgeführter Windsorknoten. Die Kroaten jedenfalls gingen vor 20 Jahren, am 18. Oktober 2003, in die Offensive und legten um die römische Arena von Pula eine rote Riesenkrawatte. Aus dieser Aktion entwickelte sich der internationale Tag der Krawatte.
Heutige Form aus dem 19. Jahrhundert
Ein bisschen Unterstützung kann der Schlips, dessen heutige Form sich im 19. Jahrhundert ausbildete, schon vertragen. Denn der „Schmücker für den Mann“ wird immer seltener getragen. Noch bis in die 60er-Jahre hinein war etwa der Zutritt zu Theatern oder gehobenen Restaurants ohne Binder undenkbar. „Heute wundert man sich eher und fragt: ‚Ist was mit der Oma passiert, steht eine Beerdigung an?“, sagt Jan Moese, der zusammen mit seiner Schwester Barbara die Firmen Ascot, Hemley sowie Schwartz & Co. leitet.
Der Firmenverbund sitzt in Krefeld – und ist von einst hunderten das letzte Unternehmen, das in der „Stadt wie Samt und Seide“ noch Krawatten produziert. Moese spricht von großen Herausforderungen. Das Wichtigste jedoch sei, „dass wir unserer sozialen Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern nachkommen und am Ende des Jahres noch so viel Gewinn machen, dass meine Schwester und ich nicht den Spaß an der Sache verlieren.“
Bislang hat das offenbar geklappt. Seit 1908 behauptet sich das Unternehmen, inzwischen in der vierten Generation. Während im Hintergrund die große Scheller-Maschine rattert, die 16 Strickkrawatten gleichzeitig fertigen kann, gerät im Vordergrund Moese ins Schwärmen: „Man hat mit schönen Dingen zu tun, kann die Stoffe in die Hand nehmen und sich daran immer wieder erfreuen.“
Wolle, Baumwolle, Seide, hier und da Polyester verarbeiten sie in Krefeld. Leder, das Material der Modesünden aus den 80er-Jahren, bleibt außen vor. Wobei Moese gelassen auf die Dinge schaut. Schließlich hätten gerade junge Menschen damals der Krawatte zu einem kleinen Comeback verholfen. Dafür musste man seinerzeit eben Leder oder Mickey-Mouse-Motive in Kauf nehmen.
Banken waren die letzten Reservate
Heute kommt die Krawatte zu festlichen Anlässen wie Hochzeiten zum Einsatz. Im Alltag dagegen ist sie immer seltener zu sehen, bedauert Bestsellerautor („Manieren“) Asfa-Wossen Asserate. „Banken waren die letzten Reservate, aber auch diese Bastion ist geschleift worden“, sagt der aus dem äthiopischen Kaiserhaus stammende und in Frankfurt lebende Unternehmensberater. „Ich bin vielleicht einer der letzten Menschen, die zu jedem Anlass eine Krawatte tragen.“
Ganz so ist es dann doch nicht, wie Jan Moese beteuert. „Es gibt immer noch Krawatten-Aficionados.“ Außerdem habe der Binder noch einen anderen Vorteil. „Ab einem bestimmten Alter bilden sich Falten am Hals. Das ist doch schön, wenn man die verstecken kann.“
Fünf Krawatten-Tipps für Erstträger und Wiederholungstäter
Länge – Bitte nicht wie Donald Trump!
Ein korrekt gebundener Schlips endet üblicherweise am oberen Rand der Gürtelschnalle, maximal jedoch am Dorn des Gürtels. Warum der ehemalige US-Präsident Donald Trump seinem feuerroten Binder regelmäßig Überlänge zugesteht, ist nicht bekannt. Vermutlich lautet die Antwort, wie so oft bei ihm: weil er’s kann.
Knoten – Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?
Krawattenkenner wie der Krefelder Unternehmer Jan Moese, der unter anderem die Marke Ascot betreut, schwören auf den Four-in-Hand-Knoten, der auf der Website des Stuttgarter Modehauses Breuninger in acht Schritten zum Ziel führt. Aber natürlich geht da auch noch mehr. Zum Beispiel beim anmutig verschlungenen St.-Andrew-Knoten. Krawatten-Origami auf höchstem Niveau.
Design – Weniger ist oft mehr
Welche Farbe, welches Design passt zu mir? Auf diese Frage zaubert der bekennende Krawattenfreund und Bestsellerautor Asfa-Wossen Asserate („Manieren“) folgende Antwort aus der Schublade: „Wenn wir in England wären, würde ich Ihnen dazu raten, eine Krawatte mit dem Wappen Ihrer Schule, Ihrer Stadt, Ihres Regiments oder Ihres Clubs zu tragen. In Deutschland gibt es so etwas nicht. Hier lautet mein Rat: Tragen Sie zurückhaltend-gedämpfte Stoffe, und vermeiden Sie grelle Strukturen und Farben.“
Lagerung – Einfach mal hängen lassen
Manche Herren der Schöpfung neigen dazu – vor allem, wenn sie sich am Abend einen hinter die Binde gekippt haben – den Knoten ihrer Krawatte vorm Zubettgehen nur zu lösen und das gute Stück dann lieblos auf Stuhl oder Sofa zu pfeffern. Völlig falsch! Nach Gebrauch gehört der Schlips entknotet und in einen Schrank, wo er locker hängen sollte. Einzige sinnvolle Alternative bei Platzmangel: Rollen.
Schleife – Das besondere Etwas
Keine Lust auf Krawatte? Dann könnte eine Schleife ins Spiel kommen, landläufig auch als „Fliege“ bekannt. Greift der Herr bei besonderen, förmlich-feierlichen Anlässen zum Smoking – Dresscode „Black Tie“ oder „White Tie“ -, ist eine Fliege sogar Pflicht. Bequeme Naturen werden die vorgebundenen sogenannten Betonschleifen nutzen; Kenner und Könner bevorzugen natürlich die handgebundenen Schleifen. Davon unabhängig gelten Träger einer Fliege mitunter als ein wenig eigenwillig, so wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der zuletzt allerdings meist auf dieses Accessoire verzichtete.