Berlin (dpa) – Nach dem Ende ihrer Fraktion im Bundestag hofft die Linke, als Gruppe wieder Tritt zu fassen und Wähler zurückzugewinnen. «Nun gilt es, den Blick auch nach vorn zu wenden», sagte der bisherige Fraktionschef Dietmar Bartsch am Mittwoch in der ARD. Zuvor war der Beschluss zur Auflösung der Linksfraktion wirksam geworden. Hintergrund ist die Abspaltung einer Gruppe von Abgeordneten um Sahra Wagenknecht, die eine Konkurrenzpartei gründen wollen.
Weil die Linksfraktion ohne die zehn Parlamentarier die Mindestgröße von 37 Abgeordneten verfehlt, hatte sie Mitte November ihre Auflösung zum 6. Dezember beschlossen. Das wurde um Mitternacht wirksam. Die ehemaligen Fraktionsmitglieder wollen sich in zwei unterschiedlichen Gruppen im Bundestag neu formieren: die verbliebenen 28 Abgeordneten der Linken einerseits und die zehn Abgeordneten des «Bündnis Sahra Wagenknecht» andererseits.
SPD erwartet Beschluss über Gruppen Anfang 2024
Solche Gruppen haben im Bundestag in der Regel weniger Rechte als Fraktionen und bekommen auch weniger finanzielle Unterstützung vom Staat. Die Details werden in einem Bundestagsbeschluss geregelt. Wann das Plenum darüber entscheidet, ist offen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Katja Mast, sagte in Berlin: «Wir werden zeitnah interfraktionelle Gespräche über einen Antrag des Ältestenrates zur Anerkennung der Gruppen aufnehmen, damit Anfang nächsten Jahres der Bundestag einen Beschluss hierzu fassen kann.»
Bartsch sagte in dem ARD-Interview zum Ende der Fraktion: «Das ist heute sicherlich ein schmerzlicher Einschnitt. Das ist auch eine Niederlage für die Linke, ohne Zweifel.» Doch sei linke Opposition notwendig. «Es liegt an uns, ob wir im nächsten Bundestag als Fraktion wieder vertreten sein werden.» Die Linke hat seit 2021 eine Serie von Wahlniederlagen hinter sich und liegt bundesweit in Umfragen unter 5 Prozent.
Bartsch sagte, die Gruppe Wagenknecht werde nicht der zentrale Bezugspunkt der Linken sein. «Ignorieren ist die höchste Form der politischen Auseinandersetzung, aber darum geht es nicht.» Es handele sich um eine kleine Gruppe «ohne ein Programm, ohne irgendwas». Die Linke werde nun wieder verstärkt ostdeutsche Interessen wahrnehmen, kündigte er an.
«Der Shut-Down der Fraktion muss sichtbar werden»
Was die Auflösung der Fraktion konkret bedeutet, beschrieb der dafür eingesetzte Liquidator Thomas Westphal der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Zunächst habe er alle gut 100 Mitarbeiter gebeten, nicht zur Arbeit zu erscheinen. «Es soll deutlich werden, dass tatsächlich die Lichter ausgegangen sind», sagte Westphal. «Der Shut-Down der Fraktion muss sichtbar sein.» Rechtlich gesehen dürfe die Fraktion nicht mehr tätig kein, auch um den Eindruck der Zweckentfremdung staatlicher Mittel zu vermeiden.
Mit dem Bundestag sei vereinbart, dass zumindest noch die bisherigen Email-Konten funktionieren sollten, berichtete Westphal weiter. Er selbst werde in den nächsten Wochen und Monaten nicht nur die Kündigung aller Mitarbeiter begleiten, sondern auch sämtliche technischen Geräte vom Tablet bis zum Faxgerät sowie mehrere Fahrzeuge verkaufen. Alle Verträge und Verbindlichkeiten würden abgewickelt. Westphals Team an Liquidatoren umfasst zehn Personen, die nur zu diesem Zweck angestellt bleiben.
Bartsch sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass die Linke als Gruppe einen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wieder beschäftigen werde, «aber am Ende werden es deutlich weniger sein, weil die Globalzuschüsse für die Fraktion künftig fehlen.» Für viele sei es leider das Ende.
Wagenknechts Mitstreiter Christian Leye sagte der Deutschen Presse-Agentur, bei der Auflösung der Fraktion sei natürlich Wehmut dabei. «In der Fraktion, aber auch in der Partei gibt es Menschen, die ich sehr respektiere und vor allem wertschätze. Am Ende aber ging es um eine politische Entscheidung: Die Mehrheit der Funktionäre in der Linken haben sich den Krisen der Zeit nicht mehr gestellt.»
Die Linksfraktion hatte sich 2005 aus Mitgliedern der Linkspartei.PDS und der WASG gegründet, zwei Jahre vor der formalen Fusion beider Parteien.
Quellen: Mit Material der dpa.