Aktion „Earth Night“ will gegen Lichtverschmutzung kämpfen

VonC. Peters

15. September 2023

Bonn (KNA)Straßenlaternen, angestrahlte Rathäuser und Kirchen, Werbetafeln und ausgeleuchtete Gärten: Deutschlands Nächte werden immer heller. Satellitenaufnahmen zeigen ein strahlendes Lichtermeer. Doch was lange als Zeichen von Fortschritt und Sicherheit galt, hat Schattenseiten. Der Sternenhimmel verblasst, Energie wird verschwendet, die Tierwelt leidet. Auch der menschliche Biorhythmus gerät durcheinander.

Das soll sich ändern: Zum vierten Mal lädt die bundesweite Initiative „Paten der Nacht“ in der Nacht von Freitag auf Samstag zur Earth Night ein. Ab Einbruch der Dunkelheit – spätestens jedoch ab 22 Uhr – heißt es dann wieder: Licht aus für eine ganze Nacht. Die Initiatoren wollen mit dieser Aktion Bewusstsein für die zunehmende Lichtverschmutzung und die daraus resultierenden Schäden für Umwelt, Natur und Menschen schaffen.

Erstmals auch Frankreich dabei

Mitinitiator und Sprecher Manuel Philipp sieht eine von Jahr zu Jahr wachsende Beteiligung: Im vergangenen Jahr seien neben Dutzenden von Gemeinden und kleineren Städte auch mehrere Großstädte dabei gewesen – darunter Hamburg, Nürnberg, Stuttgart und München sowie Innsbruck, Graz und Salzburg. „Tausende Objekt- und Gebäude-Anstrahlungen wurden in Deutschland und Österreich abgeschaltet und in mittlerweile rund 25 Gemeinden sogar die gesamte Straßenbeleuchtung“, sagt der Physiker und begeisterte Hobbyastronom. Auch Kathedralen und Kirchen beteiligten sich. In diesem Jahr sei mit Straßburg nun erstmals auch Frankreich vertreten.

In Stuttgart beispielsweise sollen laut Ankündigung von Peter Pätzold, Bürgermeister für Städtebau, Wohnen und Umwelt, an über 30 Objekten, darunter Kunstmuseum, Rathaus, Altes Schloss und Tagblattturm, die Beleuchtungen ausbleiben. „Die Earth Night gibt uns die Gelegenheit, einmal wieder den Nachthimmel mit seiner Sternenpracht zu erleben“, so Pätzold. „Und sie zeigt auf, wo wir auf Licht verzichten und Energie einsparen können.“

Nächte werden weltweit heller

Philipp verweist auf eine Studie, nach der die Nächte weltweit um knapp zehn Prozent pro Jahr heller werden. In Europa sind es mehr als fünf Prozent. „Eine dramatische Entwicklung“, sagt der Wissenschaftler. „Denn letztlich sind fast alle Lebewesen essenziell auf ausreichend dunkle Nächte angewiesen.“

Auch die Wissenschaft befasst sich inzwischen mit der Lichtverschmutzung. Zwar zeigen Luft- und Satellitenaufnahmen, wo und in welchem Ausmaß die Erde auch des Nachts beleuchtet wird. Was sie nicht zeigen ist, welche Lichtquellen am Boden konkret die Lichtemissionen verursachen.

Deshalb bitten Forschende aus Potsdam und Bochum sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt im September und Oktober die Bürger um Mithilfe: Mit der App „Nachtlichter“ sollen sie Daten erheben und messen, wie viel Prozent der verschiedenen Lichtarten zu welcher Zeit in der Nacht ausgeschaltet werden. Die App ermöglicht es, Lichtquellen sowie ihre Helligkeit, Farbe und Abstrahlwinkel zu erfassen.

Viertelmillion künstliche Lichtquellen

Sie kam schon einmal zu Einsatz: Im Jahr 2021 zählten und klassifizierten sogenannte Citizen Scientists weltweit fast eine Viertelmillion künstlicher Lichtquellen. Die gleiche Anzahl an Erhebungen will das Projektteam auch 2023 wieder durchführen, diesmal aber an einer kleineren Anzahl einzelner Straßen.

„Dank der Nachtlichter-Kampagne im Jahr 2021 haben wir den Zusammenhang zwischen der Anzahl der Lichter am Boden und der von Satelliten gemessenen Helligkeit besser verstanden“, sagt Projektleiter Christopher Kyba. „Was wir noch nicht wissen, ist, welche Lichter sich wann ausschalten.“ Um die Veränderungen zu untersuchen, sollen die Bürger-Forscher die Lichter zu zwei oder mehr Zeitpunkten zählen, zwischen denen mindestens eine Stunde liegen sollte. Das Projektteam interessiert sich dabei für jede Art von Außenbeleuchtung, einschließlich Schildern, Fenstern und beleuchteten Fassaden.

Ein neues Ziel der Datenerhebung ist in diesem Jahr auch die Messung, wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt der Erhebung auf der Straße aufhalten. Das Projektteam hofft, dass diese Daten den Städten und Unternehmen helfen können, die Beleuchtung effizienter zu nutzen und sie auf die Spitzenzeiten der Aktivitäten zu beschränken.

Die Initiative gibt Tipps

– Intensität: Bei der Beleuchtung möglichst geringe Lumen-Werte nutzen. Größere Bodenflächen besser mit mehreren schwachen Lichtquellen ausleuchten, anstatt mit nur einer einzigen sehr hellen.

– Richtung der Beleuchtung: Das Licht sollte nur nach unten strahlen. Streulicht zur Seite und vor allem nach oben vermeiden. Hier helfen geschirmte Gehäuse oder LED-Reflektorlampen.

– Lichtfarbe: Je gelber, desto besser. Farbtemperaturen von 2.700 Kelvin möglichst nicht überschreiten.

– Montagehöhe der Lampen: Je niedriger, desto besser. Dadurch entsteht weniger Blendung, und die Streuverluste in die Umgebung werden reduziert.

– Dauer der Beleuchtung: Nur während und nur so lange man sie benötigt. Hier helfen Bewegungsmelder. Dauerlicht vermeiden und spätestens um 22 Uhr (Sommer wie Winter) abschalten (Zeitschalter).

– Notwendigkeit der Beleuchtung überprüfen: Licht nur zur Wegesicherheit und Orientierung nutzen. Außenlicht zu dekorativen Zwecken sollte generell vermieden werden – speziell in Gärten, auf Pflanzen, Naturflächen und Teichen.

– Niemand muss zu Hause im Dunklen sitzen: Es reicht schon, die Jalousien, Rollos oder Vorhänge an den Fenstern zu schließen. So wird die Nacht auch merklich dunkler.

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