Berlin (dpa) – Am Ende war es noch eine Zitterpartie. Die heftig umkämpfte Legalisierung von Cannabis hat auch die letzte Hürde im Bundesrat genommen – aber das war bis fast zuletzt ungewiss. Nach dem Showdown in der Länderkammer ist das Gesetz der Ampel-Koalition beschlossene Sache.
Erwachsene können demnach schon bald erste erlaubte «Joints» rauchen: am Ostermontag, den 1. April. Der Vorlauf für die kontrollierte Freigabe der Droge mit zahlreichen Regeln und Vorgaben ist jetzt nicht mehr lang.
Warum kommt überhaupt eine Legalisierung?
In der Drogenpolitik ist es eine Zäsur. «Cannabis ist trotz des bisherigen Verbots sehr weit verbreitet», sagte der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD). Ein Umdenken und mehr Jugendschutz seien also dringend notwendig.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) setzt darauf, Risiken zu begrenzen und den Schwarzmarkt mit verunreinigtem Stoff zurückzudrängen. Er hebt aber auch die Botschaft hervor: «Es wird zwar legal, aber es gibt Probleme.» Bisher wüssten viele Eltern nicht, wie schädlich der Konsum sei. Vor allem junge Erwachsene sollten auf erhöhte Gefahren hingewiesen werden.
Wie soll die Legalisierung umgesetzt werden?
Cannabis wird im Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Stoffe gestrichen. Der Umgang damit ist dann künftig zwar per Gesetz grundsätzlich verboten – aber mit drei Ausnahmen für Personen ab 18 Jahren. Diese betreffen den Besitz bestimmter Mengen, den privaten Eigenanbau sowie Anbau und Weitergabe in speziellen Vereinen. Generell nicht zu den verbotenen Tätigkeiten zählt gemäß den völkerrechtlichen Rahmenbedingungen der Eigenkonsum, wie es im Gesetzentwurf heißt. Tabu bleiben sollen der Umgang mit Cannabis und der Konsum in den militärischen Bereichen der Bundeswehr.
Was genau soll für Volljährige künftig möglich sein?
Erlaubt wird der Besitz von bis zu 25 Gramm getrockneten Pflanzenmaterials zum Eigenkonsum, die man auch im öffentlichen Raum mit sich führen darf. In der privaten Wohnung kann man bis zu 50 Gramm aufbewahren. Angebaut werden dürfen dort auch gleichzeitig drei Pflanzen. Was darüber hinausgeht, muss sofort vernichtet werden. Geerntet werden darf nur zum Eigenkonsum, nicht zur Weitergabe an andere. Samen, Pflanzen und geerntetes Cannabis müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden – etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen.
Wie sollen die Cannabis-Anbauvereine aussehen?
Zum 1. Juli erlaubt werden auch «Anbauvereinigungen». Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500 Mitglieder Cannabis anbauen und untereinander zum Eigenkonsum abgeben – am Tag höchstens 25 Gramm je Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der Rauschwirkung.
Die Clubs sind als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Anbauflächen und Lager müssen gesichert werden, für Transporte sollen Regeln gelten.
Welche Vorgaben gibt es noch?
Um gemeinschaftlich angebautes Cannabis zu bekommen, muss man es vor Ort entgegennehmen, den Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen. Erlaubt ist nur Cannabis in Reinform, also als getrocknete Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz (Haschisch). Verboten sind Mischungen mit Tabak, Nikotin oder Lebensmitteln.
Die Packung muss neutral sein. Auf einem Infozettel müssen unter anderem das Gewicht in Gramm, die Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt in Prozent und Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden. Ein Kaufpreis darf nicht verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereinigungen durch ihre Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten und amtliche Kontrollen.
Was ist mit Kindern und Jugendlichen?
Für Minderjährige bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis komplett verboten, wie das Gesundheitsministerium betont. Weitergaben an Kinder und Jugendliche sind strafbar. Der Konsum «in unmittelbarer Gegenwart» von unter 18-Jährigen ist verboten, ebenso in Fußgängerzonen von 7.00 bis 20.00 Uhr. Untersagt wird Kiffen auf Spielplätzen, in Schulen, Sportstätten, Kinder- und Jugendeinrichtungen und jeweils in Sichtweite davon – also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Zunächst waren 200 Meter angedacht.
Was genau passierte im Bundesrat?
Unter den Ländern hatten sich beträchtliche Bedenken zusammengebraut – gegen die Legalisierung, aber auch wegen der praktischen Umsetzung bei Polizei und Justiz. Die Ausschüsse des Bundesrats listeten Einwände auf und empfahlen, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag zu schicken.
Im Plenum kamen die benötigten 35 von insgesamt 69 Stimmen aber nicht zusammen: Nur Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg und das Saarland waren dafür. Nun fehlen noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die amtliche Verkündung des Gesetzes.
Was sind die größten Kritikpunkte?
Neben breiter Kritik von Medizinverbänden, aus Polizei und Justiz und von Innenpolitikern hat sich auch im Bundesrat Protest formiert. Der federführende Gesundheitsausschuss schlägt vor, das ganze Gesetz auf den 1. Oktober zu verschieben und die legalen Besitzmengen zu reduzieren. Der Innenausschuss mahnt, dass nicht mehrere Anbauvereinigungen am selben Ort oder im selben Haus tätig werden dürften, um «Plantagen» zu verhindern. Kritik gibt es auch an Abstandsregeln, die zu gering seien. Viel Ärger wegen befürchteter Überlastung der Justiz hat eine geplante Amnestie für Altfälle ausgelöst, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar wären.
Welche Regelungen gibt es mit der Legalisierung noch?
Begleitend prüft das Verkehrsministerium gerade, wie ein THC-Grenzwert für Cannabis am Steuer gefasst werden könnte – ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. Bis Ende März sollen Expertenvorschläge vorliegen. Geregelt werden auch Sanktionen: Erwachsene, die bis zu 30 Gramm Cannabis dabeihaben oder bis zu 60 Gramm zu Hause, begehen eine Ordnungswidrigkeit. Wenn es mehr sind, macht man sich weiter strafbar. Bei der geplanten Amnestie sollen Betroffene auch beantragen können, dass entsprechende Einträge im Bundeszentralregister getilgt werden. Relevant ist das etwa für Führungszeugnisse.
Wie geht es weiter?
Bis zum Inkrafttreten am 1. April ist nicht mehr viel Zeit. Und aus den Ländern kamen schon Warnungen, dass zum Start kein legal hergestelltes Cannabis da ist, weil die Pflanzen ja erst angebaut werden müssen. Für den Aufbau von Cannabis-Clubs sind Vorbereitungen nötig.
Die Bundesregierung muss zudem aktiv werden und vor dem 1. Juli nachträgliche Gesetzesänderungen umsetzen, wie sie es dem Bundesrat in einer Erklärung zugesagt hat. Dabei geht es etwa um flexiblere Umsetzungsregeln. Eine geplante zweite Säule der Legalisierung hängt ohnehin in der Warteschleife: Modellprojekte mit lizenzierten Geschäften.
Quellen: Mit Material der dpa.