Tel Aviv/Gaza (dpa) – Das israelische Militär hat neue Erkenntnisse zum weitreichenden Tunnelsystem der islamistischen Hamas im nördlichen Gazastreifen veröffentlicht. Eine entscheidende Rolle spiele der Palästina-Platz im Zentrum der Stadt Gaza, teilte die Armee mit.
Von dort sollen «Büros und Wohnungen der politischen sowie militärischen Hamas-Führung» unterirdisch erreichbar gewesen sein. Die Angaben waren zunächst nicht unabhängig zu überprüfen. Am Sonntag hatte die Armee bereits die Freilegung eines Tunnelnetzes im Norden bekannt gegeben.
Nach der Übernahme eines Gebiets in der Stadt Gaza seien weitere Details der «strategischen Tunnelroute» aufgedeckt worden, hieß es am Mittwoch. Neben Treppen ermöglichten demnach auch Aufzüge den Abstieg in das unterirdische System. In einigen Fällen seien Lebensmittel, Wasser- und elektrische Infrastrukturen gefunden worden. «Auf diese Weise konnten Hamas-Terroristen sowohl fliehen als auch für längere Zeit in ihren Verstecken bleiben», hieß es.
Das Tunnelnetz soll den Angaben nach von den hochrangigen Funktionären der Organisation, Ismail Hanija, Jihia Sinwar, Mohammed Deif und anderen, genutzt worden sein, «um die operativen Aktivitäten der Hamas zu steuern». Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.
Armee: Suchhund-Kamera zeichnete Stimmen von Geiseln auf
Beim Einsatz eines Suchhundes der israelischen Armee im Gazastreifen sind Hilferufe von drei Geiseln aufgezeichnet worden, die fünf Tage später versehentlich von Soldaten erschossen wurden. Der Hund sei während eines Gefechts mit einer Körperkamera in ein Gebäude geschickt worden, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari laut einer in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichen Mitschrift.
«Die Terroristen haben auf den Hund geschossen, und von dem Punkt an hörten wir die Stimmen der Geiseln», sagte Hagari. Die Kamera am Körper des Hundes, der bei dem Einsatz getötet wurde, sei erst am Dienstag gefunden und ausgewertet worden.
Das Gebäude sei etwa einen Kilometer entfernt von dem Ort, wo die Geiseln später erschossen worden seien. Nach Auswertung der Kameraaufnahmen gehe man davon aus, dass die Männer, die die Geiseln festgehalten hätten, bei dem Vorfall getötet worden seien. Daraufhin hätten die Geiseln offenbar aus dem Gebäude fliehen können.
Netanjahu: «Wir setzen den Krieg bis zum Ende fort»
Während die internationale Kritik am Gaza-Krieg angesichts der zahlreichen zivilen Opfer immer weiter zunimmt, schließt Israels Regierungschef ein baldiges Ende der Militäroffensive gegen die Hamas aus. «Wir setzen den Krieg bis zum Ende fort. Er wird weitergehen, bis die Hamas beseitigt ist – bis zum Sieg», sagte Benjamin Netanjahu in einer Videobotschaft am Mittwoch.
US-Außenminister Antony Blinken forderte unterdessen «gezieltere» militärische Operationen. «Wir erwarten und wollen eine Verlagerung zu gezielteren Operationen mit einer geringeren Anzahl von Kräften sehen, die sich wirklich auf die Führung der Hamas, das Tunnelnetzwerk (…) konzentrieren», sagte Blinken in Washington. So werde auch die Zahl der zivilen Opfer im Gazastreifen zurückgehen.
Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive. Angesichts der katastrophalen humanitären Lage in dem abgeriegelten Küstengebiet war Israel zuletzt international immer mehr unter Druck geraten. Nach Darstellung der islamistischen Hamas wurden seit Kriegsbeginn mindestens 20.000 Palästinenser im Gazastreifen getötet.
Netanjahu: «Hamas-Terroristen sind dem Tod geweiht»
Der israelische Ministerpräsident bekräftigte, dass das Militär die Kampfhandlungen erst einstellen werde, wenn Israel seine Kriegsziele erreicht habe. «Wer glaubt, dass wir aufhören werden, ist fernab jeder Realität», sagte Netanjahu. Israel werde nicht aufgeben, bis alle Ziele erreicht seien. Diese seien «die Eliminierung der Hamas, die Freilassung unserer Geiseln und die Beseitigung der Bedrohung aus dem Gazastreifen». Hamas-Terroristen hätten nur zwei Möglichkeiten: «Ergeben oder sterben», sagte Netanjahu weiter.
Israels Polizei ermittelt nach Tod eines palästinensischen Häftlings
Nach dem Tod eines palästinensischen Häftlings in Israel ermittelt die Polizei wegen mutmaßlicher Gewaltanwendung durch Wächter. Insgesamt 19 Gefängnisaufseher seien in der Affäre verhört und dann unter Auflagen freigelassen worden, teilte die Polizei am Donnerstag mit.
Die Zeitung «Israel Hajom» berichtete, der 38-jährige Häftling aus dem Westjordanland sei dem Verdacht nach vor einem Monat in seiner Zelle mit Stöcken geschlagen und dabei schwer verletzt worden. Später sei er in seiner Zelle tot aufgefunden worden. Eine Autopsie habe kein klares Ergebnis gehabt.
Der Häftling war den Informationen nach Mitglied der Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Er sei unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt worden.
USA fordern internationale Reaktion auf Taten der Hamas
Angesichts der weltweiten Kritik am Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen forderten die USA von der internationalen Gemeinschaft auch deutlichere Worte zum Vorgehen der islamistischen Hamas. «Was mir auffällt, ist, dass wir immer wieder hören, wie viele Länder auf ein Ende dieses Konflikts drängen, das wir alle gerne sehen würden», sagte US-Außenminister Blinken.
Aber: «Ich höre praktisch niemanden, der von der Hamas verlangt, aufzuhören, sich hinter Zivilisten zu verstecken. Dass sie ihre Waffen niederlegen, dass sie sich ergeben.» Der Gaza-Krieg könne nicht damit enden, dass die Hamas-Terroristen an Ort und Stelle blieben und ihre Absicht erklärten, die Angriffe vom 7. Oktober wiederholen zu wollen. «Das ist nicht im Interesse Israels. Es ist nicht im Interesse der Region. Es ist nicht im Interesse der Welt.»
Huthi-Anführer warnt USA
Der Anführer der vom Iran unterstützten Huthi-Milizen warnte die USA davor, das Rote Meer in einen neuen Kriegsschauplatz zu verwandeln. Wenn die USA Soldaten in den Jemen schickten, dann seien sie mit etwas schlimmerem als in Afghanistan und Vietnam konfrontiert, sagte Abdel-Malik al-Huthi. Er warnte auch weitere Länder, sich der von den USA gebildeten Militärkoalition anzuschließen. Die Huthi-Milizen kündigten an, weiter Angriffe auf Schiffe auszuführen, die entweder Israel gehörten oder Israel unterstützten.
Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant warnte seinerseits die Huthi-Rebellen vor weiteren Angriffen. «Wir bereiten uns vor – die Truppen hier sind für jede Mission und jeden Befehl bereit», sagte er. US-Außenminister Blinken rief in einem Telefonat mit Außenministerin Annalena Baerbock und seinen Amtskollegen in Frankreich und Großbritannien, Catherine Colonna und David Cameron, zur Zusammenarbeit unter allen Partnern auf, um die Sicherheit für die Schifffahrt auf dem Roten Meer zu gewährleisten.
Israel greift Ziele im Libanon und in Syrien an
Die israelische Luftwaffe griff nach Angaben der Armee erneut Stellungen der Schiitenmiliz Hisbollah im Südlibanon an. Es seien «Terror-Infrastruktur» sowie militärische Einrichtungen der Hisbollah getroffen worden, teilte das Militär mit. Nach erneutem Raketenbeschuss seien zudem Ziele in Syrien angegriffen worden. Demnach wurden die Abschussorte der vier Raketen sowie ein syrischer Militärposten beschossen.
Was heute wichtig wird
Der Weltsicherheitsrat will über eine Resolution zur Linderung der humanitären Not im Gazastreifen abstimmen. Der von den Vereinigten Arabischen Emiraten eingebrachte Text fordert unter anderem eine Aussetzung der Gewalt, um mehr humanitäre Hilfslieferungen für über eine Million notleidende Palästinenser möglich zu machen. Die Abstimmung war bereits mehrfach verschoben worden: Die Mitglieder des 15-köpfigen Sicherheitsrates versuchen seit Tagen, ein drohendes Veto des Israel-Verbündeten USA zu verhindern.
Quellen: Mit Material der dpa.