Las Vegas (dpa) – Vor der Glamour-Premiere ihres Prestigeprojekts in Las Vegas leistete die Formel-1-Chefetage Abbitte bei den genervten Nachbarn.
«Ich möchte mich bei allen Einwohnern von Las Vegas entschuldigen. Wir wissen Ihre Nachsicht und Ihre Bereitschaft uns zu dulden, zu schätzen», äußerte der Vorstandschef des Rechteinhabers Liberty Media, Greg Maffei, vor dem Grand Prix von Las Vegas am Sonntag (7.00 Uhr MEZ/Sky).
Die Rückkehr in die Stadt der Sünde nach zwei Flops 1981 und 1982, als auf dem Parkplatz hinter dem Caesars-Palace-Hotel gefahren wurde, soll nach dem Wunsch des Medienunternehmens diesmal die «vielleicht größte Show auf Erden» werden. In den USA denkt man schließlich groß, dazu braucht es Superlative. Im Fall der Formel 1 braucht es jedoch auch die Hoffnung auf Nachsicht.
Mehr als eine Milliarde Euro für lokale Wirtschaft
«Wir werden der Region etwa 1,7 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 1,6 Milliarden Euro) an Einnahmen bescheren. Es geht also nicht nur um den Nutzen für die Fans, die es sich ansehen wollen. Wir hoffen, dass dies ein großer wirtschaftlicher Vorteil für Las Vegas ist», warb Maffei um Verständnis angesichts des Wirrwarrs in der Vorbereitung des Rennens. «Wir hoffen, dass dies das schwierigste Jahr mit all den Bauarbeiten war und dass die Dinge in Zukunft einfacher werden.»
Im vergangenen Jahr kaufte der Formel-1-Rechteinhaber für rund 224 Millionen Euro ein etwa 22 Fußballfelder großes Areal hinter dem legendären Strip, dem Las Vegas Boulevard, der von den berühmten Hotelanlagen gesäumt ist. Dort wurde die Boxenanlage errichtet, dort steht auch die Start-Ziel-Gerade.
Liberty Media meint es auf boomendem US-Markt ernst
Insgesamt rund 460 Millionen Euro Kosten stecken in dem Formel-1-Vorhaben. Diese Investition und eine Verpflichtung bis zum Jahr 2032 zeigen: Liberty Media meint es auf dem boomenden US-Markt ernst. Nach Austin (Texas) und Miami (Florida) soll der Grand Prix in der Unterhaltungsmetropole die Umsätze der Formel 1 in die Höhe schießen lassen.
Anwohnern trieb das Vorhaben dagegen die Zornesröte ins Gesicht. Für Lewis Hamilton & Co. musste das Areal neu asphaltiert werden, Bagger rollten über Haupt- und Nebenadern der Innenstadt von Las Vegas. Die Folge waren permanente Umleitungen, die für Staus und Wut bei den Anwohnern sorgten.
Pendler sind wegen Dauerbaustellen sauer
«Es ist ein Albtraum, zur Arbeit zu fahren», zitierte der TV-Sender «Channel 8» einen der schier unzähligen Angestellten im Gaststättengewerbe, der zur Arbeit pendelt. «Wir sind auf einige Herausforderungen gestoßen, da wir Asphalt und Kabel unter der Erde freigelegt haben, die beseitigt werden mussten. Es gab außerdem Überlandleitungen, die verlegt werden mussten», versuchte die Cheforganisatorin des Grand Prix, Renee Wilm, die eigentlich der Rechtsabteilung von Liberty Media vorsitzt, das Chaos zu erklären.
Alleine ihre Personalie verdeutlicht aber schon: Nichts wird dem Zufall überlassen, wenn der Rechteinhaber bei seinem Prestigeprojekt, das objektiveren Schätzungen zufolge rund 1,2 Milliarden Euro in die lokale Wirtschaft pumpen soll, erstmals selbst als Veranstalter auftritt. Darunter muss dann eben auch mal der Verkehr leiden.
Kurs wird zur Insel
«Man muss sich vor Augen halten, dass man im Grunde eine Stadt lahmlegt, die rund um die Uhr in Betrieb ist», beschrieb Wilm im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur die Verkehrseinschränkungen, die während der Formel-1-Einheiten rund um den legendären Strip herrschen werden. Man sperre schließlich drei Meilen öffentlicher Straßen und schaffe eine Insel, auf die Besucher über Behelfsbrücken Zutritt bekommen.
Glück hatte die Formel 1, dass ein Streik vor dem vorletzten Rennen des Jahres gerade noch abgewendet werden konnte. Die Gewerkschaften der Köche und Barkeeper hatten im Kampf für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen zum Ausstand aufgerufen. Wenige Stunden vor der Streikfrist kam es zur Einigung. «Wir sind hier, um allen ein guter Partner zu sein», beteuerte Wilm vor der riesigen Marketing-Party in der Wüste Nevadas.
«Die Formel 1 ist, offen gesagt, ein Albtraum für mich»
Mit gutem Willen ist es für die Sicherheitsbehörden allerdings nicht getan. Der Sheriff des Polizeipräsidiums Las Vegas, Kevin McMahill, hat erhebliche Sicherheitsbedenken. «Die Formel 1 ist, offen gesagt, ein Albtraum für mich. Mit dieser Art von Veranstaltung hatten wir noch nie zu tun», äußerte er bei einer öffentlichen Diskussion schon im Juli.
«Das sind die reichsten Leute der Welt für den reichsten Sport. Sie kommen von überall her, und wir haben nicht einmal genug Platz auf irgendeinem unserer Flughäfen für all die Privatjets.» McMahills Worte klangen wie die Angst vor einer Invasion.
Las Vegas will weg vom sündigen Image
Die Sicherheitsvorkehrungen wurden längst hochgefahren. Man plane rund um das Formel-1-Wochenende wie bei einer Neujahrsfeier, ließ die örtliche Polizei wissen. Einen Ansturm auf die kostspieligen Tickets wünschen sich die Rechteinhaber der Motorsport-Königsklasse natürlich – aber nicht nur die.
Las Vegas will schließlich weg vom Image der Stadt der Sünde, hin zum Image der Stadt des Sports. Und dabei sollen natürlich die PR-Bilder helfen, wenn die Autos an den Fontänen des Luxushotels Bellagio vorbeirasen und sich nicht wie vor mehr als 40 Jahren über einen Hinterhof-Parkplatz schieben.
Quellen: Mit Material der dpa.