Bonn (KNA)Selbstmitgefühl statt überzogenem Perfektionismus – dazu rät der britische Psychologe Thomas Curran. „Wenn die Dinge gut laufen, sollten wir das genießen und uns darüber freuen“, sagte er im Interview der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Donnerstag). „Und wenn sie mal nicht so gut laufen, sollten wir uns sagen, dass es schon okay ist. So, wie wir es einem Freund oder einer Freundin sagen würden.“
In extremen Fällen könne das Gefühl, nie gut genug zu sein, zu „allen möglichen Verhaltensweisen und Krankheiten führen“: Hoffnungslosigkeit, Burnout und sogar Suizid, warnte Curran. Perfektionismus betreffe Menschen in unterschiedlichem Ausmaß. Manche litten darunter, andere seien lediglich in bestimmten Bereichen perfektionistisch, und manche sorgten sich nur in wenigen Zusammenhängen darum, „wie sie aussehen oder wie sie rüberkommen“.
Junge Menschen mit Drang zum Perfektionismus
Das Streben, möglichst perfekt zu sein, funktioniere „wie eine Art Rüstung, um das wahre, verletzliche Ich vor Ablehnung zu schützen. Es braucht nur einen kleinen Fehler, ein falsches Wort oder einen falschen Blick, und die Perfektionismus-Rüstung zerbricht wie hauchdünnes Porzellan“, so der Wissenschaftler. Die moderne Kultur trage zu dieser Haltung bei, indem sie es nicht erlaube, sich „zurückzulehnen und aufzuhören, nach mehr zu streben“.
Insbesondere unter junge Menschen sei der Drang zum Perfektionismus stark ausgeprägt, vor allem der sogenannte sozial vorgeschriebene Perfektionismus: „Der bezieht sich auf Menschen, die denken, andere hätten unerreichbar hohe Ansprüche an sie.“ Junge Menschen fühlten sich offenbar „immer mehr von außen unter Druck gesetzt“, mahnte Curran.
Liebenswert trotz Fehlern
Überhöht sei auch der Anspruch, aus jedem Fehlschlag etwas zu lernen. „Manchmal hatten wir einfach einen schlechten Tag, manchmal gehen Dinge einfach schief, ohne dass es deine Schuld ist.“ Wichtig für die mentale Gesundheit sei, zu verstehen, dass man Fehler machen dürfe – und trotzdem liebenswert sei.
Zudem riet der Autor des jüngst erschienenen Buchs „Nie gut genug“ dazu, sich immer wieder an die eigenen Überzeugungen und Motivationen zu erinnern. „Denk dir nicht: Ich muss dieses Buch lesen oder jeden Tag meditieren, weil andere das machen. Das wird dich nicht glücklicher und gesünder machen. Es geht vielmehr darum, herauszufinden, was dir wirklich Freude bringt. Und das bringt dich dir selbst näher.“