Teheran/Berlin (dpa) – Mit strengen Sicherheitsvorkehrungen haben iranische Einsatzkräfte am Todestag der Protestikone Jina Mahsa Amini die Kurdenregionen in den Ausnahmezustand versetzt. Aminis Vater wurde in ihrer Heimatstadt Saghes vorübergehend festgenommen und verhört, wie mehrere kurdische Menschenrechtsgruppen berichteten.
Ihre Familie soll bereits in den vergangenen Wochen eingeschüchtert worden sein. In Berlin, Hamburg, Frankfurt und anderen deutschen Städten zeigten Tausende Menschen ihre Solidarität.
An diesem Samstag jährte sich erstmals der Tod Aminis, der im Herbst 2022 die schwersten Aufstände im Iran seit Jahrzehnten ausgelöst hatte. Islamische Sittenwächter hatten die damals 22-Jährige wegen eines angeblich nicht richtig getragenen Kopftuchs festgenommen. Was genau danach geschah, ist bis heute ungeklärt – letztlich fiel die junge Frau ins Koma und starb in einem Krankenhaus. Zu Aminis Beerdigung strömten damals Tausende Menschen. Ausgehend von den Kurdenregionen verbreiteten sich die Proteste wie ein Lauffeuer.
Vor allem die junge Generation ging in der Folge unter dem Slogan «Frau, Leben, Freiheit» gegen die repressive Politik der islamischen Führung auf die Straße. Die Staatsmacht ließ die Proteste, die das Land über Monate hinweg in Atem hielten, gewaltsam niederschlagen. Auf Geheiß der iranischen Justiz wurden sieben Männer im Zusammenhang mit den Demonstrationen hingerichtet. Als Zeichen des stillen Protests ignorieren bis heute viele Frauen die Kopftuchpflicht – in diesem Ausmaß hat es das im Iran zuvor nicht gegeben.
Solidaritätskundgebungen in Deutschland
In Deutschland gab es zum Jahrestag verschiedene Demonstrationen und Aktionen in mehreren Städten. In Hamburg schätzte das Lagezentrum, dass sich rund 2500 Menschen an Demonstrationen beteiligt hätten. Es sei zu vereinzelten Verkehrsbehinderungen gekommen. In Berlin gab es Aktionen unter anderem am Großen Stern und vor dem Reichstagsgebäude. Demonstrantinnen und Demonstranten versammelten sich mit Iran-Flaggen mit einer Sonne. Einige von ihnen hatten auf dem Oberkörper ein Papier angeheftet, das ein Foto der jungen Kurdin Amini zeigte.
Irans Kurdenregionen im Ausnahmezustand
Aminis Heimatort Saghes wurde vor ihrem Todestag abgeriegelt. Aus Sorge vor einem erneut gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte gab es zunächst keine Protestaufrufe. Den Todestag wollten Menschen in den Kurdengebieten dennoch würdigen, etwa durch Ladenschließungen. Irans Geheimdienst nahm laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Tasnim mehrere Bewohner in den Kurdengebieten fest. Auch in anderen Städten herrschte mit Straßenkontrollen eine angespannte Stimmung.
Augenzeugen berichteten am Freitag, Militäreinheiten und andere Einsatzkräfte seien in Städte rund um Saghes verlegt worden. Auch viele neue Überwachungskameras seien installiert worden. Bewohner der Kurdengebiete sprachen zudem von verstärkten Kontrollen.
Baerbock setzt Zeichen
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock versprach den Menschen im Iran unterdessen weitere Unterstützung gegen Unterdrückung. «Wir setzen die Schicksale der Menschen im Iran in Brüssel, New York und Genf auf die Tagesordnung», erklärte die Grünen-Politikerin, die sich derzeit in den USA aufhält. Dort traf sie am Freitag (Ortszeit) die Tochter des im Iran wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilten Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd. Er ist einer von mehreren im Iran inhaftierten Deutschen.
Irans Funktionäre mit Sanktionen belegt
Die USA und die EU verhängten vor dem brisanten Datum neue Sanktionen im Zusammenhang mit der brutalen Niederschlagung der Proteste. In Washington wurden am Freitag Strafmaßnahmen gegen 25 iranische Personen, drei vom iranischen Staat unterstützte Medien und ein iranisches Unternehmen bekanntgegeben, das Nachforschungen im Internet anstellt. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor den Protestierenden anhaltende Unterstützung zugesichert.
Von den EU-Strafmaßnahmen sind nach Angaben vom Freitag vier Personen sowie sechs Einrichtungen und Unternehmen betroffen. Dabei geht es unter anderem um zwei ranghohe Polizisten, einen Vertreter der Eliteeinheit der iranischen Streitkräfte sowie mehrere Gefängnisse und die Nachrichtenagentur Tasnim, der von der EU unter anderem vorgeworfen wird, sie veröffentliche falsche Geständnisse von Protestteilnehmern.
Mit Material der dpa.