Minsk/Moskau/Berlin (dpa) – Der russische Söldnerchef Jewgeni Prigoschin ist nach seinem bewaffneten Aufstand gegen Moskaus Militärführung in Belarus eingetroffen. «Ja, wirklich, er ist heute in Belarus», sagte Machthaber Alexander Lukaschenko in Minsk der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge. Prigoschin war im Fall einer Ausreise nach Belarus vom Kreml Straffreiheit zugesichert worden. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte unterdessen in einer Rede, Soldaten und Mitarbeiter der Geheimdienste hätten faktisch einen «Bürgerkrieg» im Land verhindert.
Der 62-jährige Prigoschin, dessen Söldner zuvor an der Seite der regulären russischen Armee im Angriffskrieg gegen die Ukraine kämpften, hatte am Samstag einen lange schwelenden Machtkampf in der russischen Militärführung eskalieren lassen. Wagner-Kämpfer besetzten die südrussische Stadt Rostow am Don und marschierten weiter in Richtung Moskau. Ihr praktisch ungehinderter Vormarsch stoppte erst gut 200 Kilometer vor der russischen Hauptstadt. Offiziellen Angaben zufolge soll Lukaschenko im Auftrag Putins mit Prigoschin vermittelt und den Söldnerchef zum Aufgeben überredet haben. Im Gegenzug sicherte der Kreml Prigoschin Straffreiheit zu.
Putin kündigte zudem «in nächster Zukunft» Veränderungen in der Führungsetage der russischen Streitkräfte an. Er äußerte sich nicht dazu, ob er an seinem Verteidigungsminister Sergej Schoigu festhält.
Putin: Wagner-Gruppe war komplett vom Staat finanziert
Putin räumte zudem erstmals ein, dass Prigoschins Wagner-Armee, die sich offiziell als privates Militärunternehmen bezeichnet, vom Staat finanziert wurde. «Wir haben diese Gruppe komplett finanziert», sagte er bei einem Treffen mit Soldaten. Nach Darstellung Putins erhielt die Gruppe von Mai 2022 bis Mai 2023 insgesamt 86,26 Milliarden Rubel (rund 930 Millionen Euro) aus dem Staatshaushalt. Putin kündigte eine Untersuchung der Geldströme bei Wagners Muttergesellschaft Concord-Holding an, die zugleich 80 Milliarden Rubel verdient habe. «Ich hoffe, dass niemand etwas gestohlen hat oder, sagen wir, ein bisschen gestohlen hat», sagte der Kremlchef.
Lukaschenko warnt vor Gefahr eines Zusammenbruchs Russlands
Der belarussische Machthaber Lukaschenko bezeichnete den Aufstand als Gefahr für Russland. «Wenn Russland zusammenbricht, werden wir unter den Trümmern zurückbleiben, wir werden alle sterben», sagte Putins Verbündeter nach Angaben der staatlichen Agentur Belta in Minsk. Alle Beteiligten hätten die Gefahr der Eskalation des Konflikts anfangs falsch eingeschätzt und geglaubt, dass sich die Situation so lösen lasse. Zwei Menschen seien «aufeinandergeprallt», sagte er bezogen auf Putin und Prigoschin. «In diesem Fall gibt es keine Helden», fügte Lukaschenko hinzu und kritisierte damit auch Putin.
Baerbock in Südafrika – Fortsetzung von Friedensinitiative
Südafrika hat eine Fortsetzung der afrikanischen Friedensinitiative für ein Ende des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine angekündigt. Sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Russlands Präsident Putin hätten ein weiteres Treffen mit den afrikanischen Staatschefs zugesagt, nachdem eine Delegation Mitte Juni in Kiew und St. Petersburg war, sagte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor nach einem Treffen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Pretoria. Baerbock sagte, die Stimme Südafrikas habe Gewicht in der Welt.
Den Wagner-Aufstand nannte Baerbock eine innere Angelegenheit Russlands, in die sich Deutschland nicht einmische. Sie ergänzte: «Wir beobachten natürlich genauestens die Lage.» Die Vorgänge machten erneut deutlich, «dass Putin mit diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auch die Sicherheit in seinem eigenen Land gefährdet».
Russische Nationalgarde fordert Panzer nach Ende des Wagner-Aufstands
Der Chef der russischen Nationalgarde forderte Panzer und schwere Waffen mit großer Reichweite für seine Einheiten. Alle ihre Kräfte seien während des Wagner-Aufstands an den Zufahrten zur russischen Hauptstadt konzentriert gewesen, sagte Viktor Solotow in Moskau. Die aufständischen Kämpfer hätten zwar bis nach Moskau vordringen können, «aber sie hätten Moskau nicht eingenommen». Zugleich warf Solotow westlichen Geheimdiensten vor, den Aufstand organisiert zu haben. «Natürlich wurde der Aufstand vorbereitet und inspiriert von westlichen Geheimdiensten, denn sie wussten, wie sie sagten, schon einige Wochen vorher davon», meinte der Vertraute Putins.
UN-Bericht: Zivilisten in russischem Gewahrsam gefoltert und getötet
Russische Akteure haben seit dem Überfall auf die Ukraine nach einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros Hunderte Zivilisten gefoltert. 77 seien summarisch getötet worden, sagte die Leiterin des UN-Menschenrechtsbüros in der Ukraine, Matilda Bogner. «Das ist ein Kriegsverbrechen.» Das Büro hat in einem Bericht 864 Fälle von Menschen dokumentiert, die seit Beginn des Krieges im Februar 2022 und bis Mai 2023 von russischer Seite meist in besetzten Gebieten festgenommen wurden. Fast alle hätten von Folter berichtet. Auf ukrainischer Seite dokumentierte das Büro 75 festgenommene Zivilisten. Sie hätten auch mehrheitlich von Misshandlung und Folter berichtet. Beide Staaten verstießen gegen internationales Recht. Das Büro zählt nur Fälle, in denen es die Umstände selbst klären konnte.
London: Ukrainer stoßen in 2014 von Russland besetztes Gebiet vor
Die ukrainische Gegenoffensive ist in ein Gebiet vorgestoßen, das bereits seit 2014 von russischen Truppen besetzt ist. Das geht aus dem britischen Geheimdienstbericht zum Krieg in der Ukraine vom Dienstag hervor. Demnach haben Mitglieder der ukrainischen Luftstreitkräfte kleine Vorstöße im Osten des Dorfes Krasnohoriwka nahe der Stadt Donezk gemacht. «Jüngste vielfache und gleichzeitige ukrainische Angriffe» im gesamten Donbass haben demnach Kräfte der international nicht anerkannten Volksrepublik Donezk und tschetschenische Einheiten, die dort operieren, überfordert.
Papst schickt vatikanischen Sonderbeauftragten nach Russland
Der von Papst Franziskus ernannte Sonderbeauftragte des Vatikans für den Ukraine-Krieg, Kardinal Matteo Zuppi, besucht Moskau. Als Gesandter des Oberhauptes der katholischen Kirche werde Zuppi am Mittwoch und Donnerstag Russland besuchen, um «Gesten der Menschlichkeit» zu fördern, wie der Heilige Stuhl mitteilte. Er reiste bereits Anfang Juni nach Kiew.
Rüstungsexporte für 4,6 Milliarden Euro im ersten Halbjahr genehmigt
Die Bundesregierung hat in diesem Jahr bisher Rüstungsexporte für mindestens 4,62 Milliarden Euro genehmigt. Das sind etwa 12 Prozent mehr als in den ersten sechs Monaten des Vorjahrs. Das wichtigste Empfängerland im Zeitraum 1. Januar bis 19. Juni war die von Russland angegriffene Ukraine, für die Waffen und andere Rüstungsgüter im Wert von 1,18 Milliarden Euro genehmigt wurden. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor.