Berlin (dpa) – Die Erwägungen der Linken-Abgeordneten Sahra Wagenknecht, vielleicht eine neue Partei zu gründen, hält die Linke inzwischen seit vielen Monaten in Atem. Nun soll es einem Bericht der «taz» zufolge bei einem Treffen mit führenden Politikern der Linkspartei ein Ultimatum an Wagenknecht gegeben haben, sich bis Freitag zu entscheiden, ob sie in der Partei bleiben wolle oder nicht.
Co-Parteichef Martin Schirdewan bestätigte am Montag in Berlin auf Nachfrage lediglich, dass es ein Treffen gab. Inhaltlich äußerte er sich nicht dazu und verwies auf vereinbarte Vertraulichkeit. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, bestätigte das Gespräch ebenfalls, widersprach aber der Darstellung der «taz» und sagte im Deutschlandfunk, «von Ultimaten kann keine Rede sein».
Wagenknecht soll sich bis zum 9. Juni erklären
Dem Zeitungsbericht zufolge traf sich am 25. Mai der geschäftsführende Parteivorstand mit Wagenknecht. Auch Bartsch und seine Co-Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali nahmen teil. Schirdewan und Co-Parteichefin Janine Wissler hätten bei dem Gespräch Wagenknecht dazu aufgefordert, sich bis zum 9. Juni zu erklären, berichtete die «taz» unter Berufung auf Parteikreise. Über das weitere Vorgehen würde dann auf einer Vorstandssitzung der Linken einen Tag später, also an diesem Samstag, beraten.
Schirdewan bestätigte, dass der Parteivorstand an diesem Wochenende zu Beratungen zusammenkommt. Auf Nachfrage, ob dies für die Linke eine entscheidende Woche sei, sagte er, für seine Partei sei jeder Tag und jede Woche immer ein entscheidender Tag und eine entscheidende Woche.
Schirdewan: Respektlos gegenüber Mitgliedern
Der Linken-Vorsitzende bekräftigte seine Kritik an den Gedankenspielen über die Gründung einer Konkurrenzpartei. Das Gerede darüber schade der Linken und stelle eine Respektlosigkeit gegenüber den Mitgliedern dar, die sich täglich für deren Inhalte einsetzten.
Wagenknecht selbst äußerte sich am Montag auf Anfrage nicht. Fakt ist: Es gibt Gedankenspiele für eine Parteigründung. Möglicherweise sind auch schon konkrete Planungen im Gange. Die wohl bekannteste Linken-Politikerin hatte angekündigt, bis zum Jahresende darüber zu entscheiden, wie es weitergeht. Zuvor hatte sie bereits erklärt, nicht mehr für die Linke für den Bundestag zu kandidieren. Umfragen hatten gezeigt, dass sich 20 bis 30 Prozent der Menschen zumindest vorstellen könnten, eine Wagenknecht-Partei zu wählen.
Grundsatzstreit seit Jahren
Zwischen der 53-Jährigen und der Parteispitze sowie anderen Mitgliedern gibt es seit Jahren Streit über grundsätzliche Positionen. In der Flüchtlingspolitik sprach sie sich gegen offene Grenzen aus; sie äußerte sich in der Corona-Zeit skeptisch zur Impfung; in ihrem Buch «Die Selbstgerechten» rechnete Wagenknecht mit dem gender- und klimaengagierten Teil ihrer Partei ab, und auch beim Thema Ukraine eckt sie mit ihrem Kurs an, der einigen zu russlandnah erscheint.
Sie hat aber auch Unterstützer in Partei und Fraktion. Etwa den Bochumer Abgeordneten Christian Leye, früher Mitarbeiter in Wagenknechts Wahlkreisbüro. Er kritisierte am Montag die Linken-Führung. In einer Krisensituation mit einer «abgewirtschafteten Ampel» und einer AfD bei 19 Prozent, «versackt die linke Opposition bei lausigen 4 bis 5 Prozent», sagte er der dpa. «Wann will der Parteivorstand eigentlich mal seine Hausaufgaben machen und an einem politischen Angebot arbeiten, das die Wähler wieder erreicht und überzeugt?». Die Parteispitze diskutiere lieber über Ultimaten gegen die mit Abstand beliebteste Politikerin der Linken, «statt endlich mal den eigenen Kurs zu hinterfragen.»