Brüssel (dpa) – Unternehmen in der EU sollen nach dem Willen des Europaparlaments künftig strenger darauf achten, dass ihre Produkte im Einklang mit Menschenrechten und Umweltschutz hergestellt werden.
366 Abgeordnete befürworteten heute das geplante EU-Lieferkettengesetz in Brüssel, mit dem große Firmen entlang ihrer globalen Lieferketten für den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in die Pflicht genommen werden sollen. Wie das Parlament weiter mitteilte, stimmten 225 Abgeordnete dagegen, 38 enthielten sich.
Der Richtlinienentwurf sieht unter anderem vor, dass Firmen in der EU für Kinder- oder Zwangsarbeit sowie für Umweltverschmutzung ihrer internationalen Lieferanten verantwortlich gemacht werden sollen. Geplant ist auch, dass Unternehmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie dies nicht tun.
Mehr Unternehmen in der Pflicht
Die neuen Vorschriften sollen für in der EU ansässige Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und einem weltweiten Umsatz von über 40 Millionen Euro gelten. Auch Muttergesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mindestens 150 Millionen Euro werden dem Entwurf zufolge mit eingebunden.
Je nach Größe der Firma sollen die Regelungen nach einer Übergangsfrist von drei oder vier Jahren angewandt werden. Zudem werden Unternehmen dazu aufgefordert, Klimaschutzpläne aufzustellen, um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Positive Reaktionen
Die Zustimmung des Parlaments sei ein wichtiger Schritt in Richtung gerechterer Lieferketten auf der Welt, lobte die Initiative Lieferkettengesetz. Der Beschluss schaffe die Voraussetzungen dafür, «Menschenrechte und Umwelt dort zu schützen, wo es am schlechtesten um sie bestellt ist: am Beginn der Lieferkette», betonte Michelle Trimborn, Sprecherin der Initiative.
Anna Cavazzini, die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses des EU-Parlaments (Grüne), sagte: «Das EU-Lieferkettengesetz ist wegweisend und wird Umwelt- und Sozialdumping in unseren Lieferketten endlich einen Riegel vorschieben. Damit übernimmt die EU endlich Verantwortung für die globalen Auswirkungen unseres Handelns.» Der EU-Abgeordnete Helmut Scholz (Linke) bezeichnete die Abstimmung als einen «wichtigen Etappensieg».
Der SPD-Europaparlamentarier René Repasi hob hervor, dass die Position des Parlaments über die der EU-Staaten hinausgeht. «Eine Ausnahme des Finanzsektors, wie sie im Rat durchgesetzt wurde, haben wir gegen den Widerstand von Konservativen und Rechtsextremen verhindert und damit dem massiven Lobbying der Banken und Investoren einen Strich durch die Rechnung gemacht», sagte Repasi.
Aus Sicht von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) werden die vorgesehenen Richtlinien faire Wettbewerbsbedingungen in der gesamten EU schaffen, da europäische Firmen alle gleichermaßen an die Pflichten gebunden seien. Auch viele Frauen in den Partnerländern profitierten von den Regelungen, sie seien überdurchschnittlich «oft von prekären Arbeitsbedingungen betroffen», sagte Schulze.
Kritische Stimmen
Kritik kam unter anderem von der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Der Gesetzesentwurf sei zu weitgehend, den Betrieben drohe ein riesiger bürokratischer Aufwand, teilten der Vorsitzende Daniel Caspary (CDU) und die Co-Vorsitzende Angelika Niebler (CSU) in einem gemeinsamen Statement mit.
«Durch die Richtlinie droht ein regulatorischer Flickenteppich, der die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen stellen wird.» Das Lieferkettengesetz in seiner jetzigen Form trage nicht dazu bei, europäische Firmen wettbewerbsfähiger zu machen.
FDP-Handelspolitikerin Svenja Hahn forderte, den risikobasierten Ansatz bei späteren Verhandlungen noch stärker in den Blick zu nehmen. «Der Fokus muss vor allem auf Produkten aus Ländern und Märkten liegen, die ein tatsächliches Risiko für Menschenrechtsverletzungen darstellen.» Der Parlamentsvorschlag schaffe eine Vielzahl an neuen Auflagen, Berichtspflichten und Rechtsunsicherheiten für die Unternehmen.
Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) kritisierte, dem Gesetzesentwurf fehle es an Praxistauglichkeit, Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit. «Das Lieferkettengesetz bürdet den Unternehmen ein neues und unkalkulierbares Haftungsrisiko auf: Von ihnen wird eine Kontrolle erwartet, die außerhalb ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten liegt», sagte DIHK-Präsident Peter Adrian am Mittwoch. Lieferketten bestünden oft aus mehreren hundert, teils mehreren tausend Firmen. In der Regel sei einem Betrieb aber nur der direkte Zulieferer bekannt.
Die EU-Staaten hatten sich bereits Ende des vergangenen Jahres auf ihren Standpunkt zu dem Vorhaben festgelegt. Parlament und Mitgliedstaaten müssen sich nun noch auf einen gemeinsamen Kompromiss einigen. In Deutschland gilt seit Anfang des Jahres ein Lieferkettengesetz für Firmen mit mindestens 3000 Angestellten.