Moskau (dpa) – Russland hat der Ukraine einen versuchten Anschlag auf Kremlchef Wladimir Putin vorgeworfen und mit Gegenmaßnahmen gedroht. In der Nacht seien zwei Drohnen zum Absturz gebracht worden, die auf das Kreml-Gelände zugeflogen seien, teilte das russische Präsidialamt mit. Putin sei unverletzt geblieben.
Wenig später zitierten staatliche russische Medien Kremlsprecher Dmitri Peskow mit den Worten, Putin sei zum Zeitpunkt der versuchten Attacke gar nicht im Kreml gewesen, sondern in seiner Residenz Nowo-Ogarjowo.
«Wir betrachten diese Handlungen als einen geplanten Terrorakt und Anschlag auf das Leben des Präsidenten der Russischen Föderation», heißt es in der Kreml-Mitteilung. «Die russische Seite behält sich das Recht vor, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wo und wann sie es für angebracht hält.» Unabhängig überprüft werden konnten die Angaben zunächst nicht.
Ex-Kremlchef Medwedew: Selenskyj muss physisch eliminiert werden
Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew fordert als Reaktion im Gegenzug die «physische Eliminierung» des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. «Nach dem heutigen Terrorakt gibt es keine andere Variante als die physische Eliminierung Selenskyjs und seiner Clique», schrieb Medwedew auf Telegram.
Dass zwei Drohnen bis auf das Kreml-Gelände gelangt seien, werfe Fragen über den Zustand der Luftverteidigung auf, schrieb etwa der Duma-Abgeordnete Sergej Mironow auf Telegram. Zugleich forderte er die «Eliminierung der terroristischen Elite der Ukraine». Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin teilte mit: «Wir werden die Anwendung von Waffen fordern, die in der Lage sind, das terroristische Kiewer Regime zu stoppen und zu zerstören.»
«In erster Linie hat der Vorfall die Schwäche der russischen Luftverteidigung demonstriert», kommentierte der russische Politologe Abbas Galljamow das Geschehen. Deshalb glaube er nicht an eine so genannte «False-Flag»-Aktion, die der Kreml selbst inszeniert habe. Wenn überhaupt, dann könne es sich seiner Einschätzung nach höchstens um eine Inszenierung durch russische Hardliner handeln, die Putin so überzeugen wollten, der Ukraine nun auch offiziell den Krieg zu erklären.
Kiew weist Beteiligung an Drohnen-Vorfall zurück
Selenskyj wirft Russland vor, sich die Anschuldigungen ausgedacht zu haben. «Wir greifen weder Putin noch Moskau an, wir kämpfen auf dem eigenen Territorium und verteidigen unsere Dörfer und Städte», sagte der 45-Jährige auf einer Pressekonferenz in der finnischen Hauptstadt Helsinki. «Wir greifen Putin nicht an, das überlassen wir dem (internationalen) Tribunal.» Moskau denke sich so etwas aus, da Russland den vor etwas mehr als 14 Monaten begonnenen Krieg gegen die Ukraine bereits verloren habe. Der Kreml versuche so, seine Soldaten für den Krieg gegen Kiew zu motivieren.
Der ukrainische Präsidentenbüroberater Mychajlo Podoljak schreibt auf Twitter: Sein Land führe ausschließlich einen Verteidigungskrieg und greife daher keine Objekte auf russischem Staatsgebiet an. «Wozu? Das löst kein militärisches Problem», fügte der 51-Jährige hinzu. Im Gegenteil würde das Russland nur einen Anlass geben, um seine Angriffe auf Zivilisten zu rechtfertigen. «Offensichtlich bereitet Russland einen großen Terrorakt vor», meinte er.
Hinter den Drohnen über dem Kreml-Territorium könnte beispielsweise auch eine Widerstandsgruppe aus dem Untergrund stecken, so Podoljak weiter. Drohnen dieser Art seien schließlich überall zu kaufen. «Irgendwas geht in Russland vor sich, jedoch ohne Drohnen der Ukraine über dem Kreml.»
Auch der Sprecher des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Serhij Nykyforow, weist eine angebliche ukrainische Beteiligung zurück. «Wie Präsident Selenskyj mehrfach erklärte, sind alle vorhandenen Mittel der Ukraine auf die Befreiung des eigenen Gebiets ausgerichtet und nicht auf Angriffe auf fremdes (Gebiet)», sagte er dem Internetportal Ukrajinska Prawda.
In sozialen Netzwerken war bereits in der Nacht ein Video aufgetaucht, das eine kleine Rauchwolke in der Nähe des Kremls zeigt. Später kursierten zudem Clips, die den Moment der Zerstörung durch die Luftabwehr auf dem Kreml-Gelände zeigen sollen. Auch diese Aufnahmen konnten zunächst nicht verifiziert werden. Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin erklärte, ab sofort gelte in der russischen Hauptstadt ein komplettes Drohnen-Verbot.